Sachliche Zuständigkeit der KESB

Der (deutsche) Bundesgerichtshof hat einen Fall entschieden, welche auch für den schweizerischen Kindesschutz interessant ist: Ein Richter eines Familiengerichts hatte einen Entscheid erlassen, wonach für alle Schüler jegliche Corona-Massnahmen wegfallen sollte. Der Bundesgerichtshof hat in einem neueren Urteil entschieden, es gäbe keine globale Zuständigkeit der Familiengerichte, wenn behauptet wird, das Kindeswohl sei gefährdet worden. Vielmehr seien Im Rahmen des schulischen Sonderrechtsverhältnisses die zuständigen Schulbehörden ihrerseits an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns obliege hierbei allein den Verwaltungsgerichten. Auf das schweizerische Recht würde dies zu Recht bedeuten, dass bei einer behaupteten Kindeswohlgefährdung in der Schule alleine der Rechtsmittelweg gegen schulische Anordnungen zulässig wäre. Allgemeiner ausgeführt, stünde gegen eine behördliche Massnahme, welche das Kindeswohl angeblich gefährdet, „nur“ der gegen die Anordnung der Massnahme vorgesehene Rechtsschutz zur Verfügung.

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Denkmal

Der Kanton Basel-Stadt hat zusammen mit den Betroffenen ein Denkmal für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen, welche die Behörden vor 1981 errichtet haben, erstellt. Mehr dazu gibt es hier.

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Herausforderungen im Kindesschutz

Die Basellandschaftliche Zeitung berichtet heute (leider hinter einer Paywall) in einem längeren Bericht über die derzeitigen Herausforderungen im Kindesschutz. Thematisiert wird unter anderem auch, inwieweit Beistandspersonen mit ihrer Arbeit zufrieden sind und wie die derzeitige Situation verbessert werden soll. Der Bericht findet sich hier.

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Aufhebung Aufenthaltsbestimmungsrecht; Kindesanhörung; Kindesvertretung

In einem neueren Urteil hat sich das Bundesgericht über grundlegende Aspekte der Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Kindesanhörung sowie der Kindesvertretung geäussert.

In Bezug auf die Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (E. 4.4) hat das Gericht betont, die KESB müsse konkret darlegen, weshalb die Kindeswohlgefährdung eine Fremdplatzierung unumgänglich macht. Allgemeine Ausführungen, wie z.B., dass die Mutter nicht mehr den Kinderpsychiater der Kinder aufsuchen würde, genügen per se nicht. Eine Auseinandersetzung mit der von de Mutter vorgebrachten Gründen für den Wechsel sei notwendig. Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass die Mutter im vorliegenden Fall einen neuen Kinderpsychiater aufgesucht habe und nichts darauf hinweise, dass sie wiederholt Therapeuten austauschen würde. Im Rahmen der Verhältnismässigkeit sei zudem eine konkrete Abwägung der Interessen notwendig, welche Konsequenzen die Fremdplatzierung in Bezug auf die Entwicklung der Kinder habe und welche Konsequenzen das weitere Zusammenleben der Kinder mit der Mutter habe.

In Bezug auf die Kindesanhörung hat das Bundesgericht die bekannten Grundsätze, wann von einer Anhörung abgesehen werden kann und wann diese durch Dritte durchgeführt werden kann wiederholt (vgl. E. 3.2.). Diesbezüglich ist insbesondere von Interesse, dass von der Anhörung auch dann in antizipierter Beweiswürdigung abgesehen werden kann, wenn diese primär den Persönlichkeitsrechten des Kindes dienen würde (und nicht der Sachverhaltsfeststellung). Eine antizipierte Beweiswürdigung ist aber nur unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich.

In Bezug auf die Kindesvertretung hat das Bundesgericht schliesslich (zu Unrecht) festgehalten, das Honorar der Kindesvertreterin für das bundesgerichtliche Verfahren müsse durch die KESB festgelegt werden (E. 6.2).

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Behindertenkonvention und HEsÜ

Das Haager Erwachsenenschutzübereinkommen (HEsÜ) regelt die internationale Zuständigkeit sowie das anwendbare Recht in internationalen Sachverhalten. Weiter hält es fest, unter welchen Voraussetzungen ausländische Entscheide im Erwachsenenschutz in der Schweiz anerkannt und vollstreckt werden können. Schliesslich regelt es auch die internationale Behördenzusammenarbeit.

Dieses Übereinkommen muss unter anderem systematisch interpretiert werden, d.h. (auch) unter Berücksichtigung anderer völkerrechtlicher Übereinkommen. Unter anderem ist dabei die Behindertenrechtskonvention der UN zu berücksichtigen. Über die Interaktion zwischen diesen zwei Übereinkommen wurde ein Bericht für die UN-Sonderberichtserstatterin zu den Rechten Behinderter erstellt. Der Bericht und eine Zusammenfassung seines Inhaltes finden sich hier.

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Fürsorgerische Unterbringung auf Druck der Einrichtung

In der Praxis ordnen Behörden teilweise fürsorgerische Unterbringungen an, weil die Einrichtungen nur unter diesen Umständen bereit sind, eine Person weiter zu behandeln oder zu betreuen. In einem neueren Urteil hat das Obergericht des Kantons Zürich zu Recht festgehalten, alleine die Tatsache, dass eine Person auf eine betreute Wohnform angewiesen sei, rechtfertige noch keine fürsorgerische Unterbringung. Das Gericht hat in der Folge näher die Frage geprüft, ob die nötige Betreuung und Behandlung in der fraglichen Einrichtung tatsächlich nur geleistet werden könnte, wenn diese die betroffene Person zurückführen lassen und in Krisensituationen intervenieren kann (wie u.a. die Einrichtung geltend gemacht hat). Es hat die Frage verneint, mit der Begründung, in der Vergangenheit habe die Polizei in Krisensituationen von sich aus die notwendigen Schritte eingeleitet, damit die betroffene Person (einvernehmlich oder jeweils per FU) stationär behandelt worden ist. Zudem könne die Klinik jederzeit einen Notfallarzt aufbieten und damit bei Bedarf die Verfügung einer fürsorgerischen Unterbringung in Gang setzen. Der Entscheid zeigt illustrativ auf, dass die von Einrichtungen zuweilen geltend gemachte Notwendigkeit einer fürsorgerischen Unterbringung kritisch zu prüfen ist.

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„Careleavers“

Die Sendung „Kontext“ vom 27. August 2021 hat über das Schicksal von untergebrachten Jugendlichen berichtet, welche mit Erreichen der Volljährigkeit oft keine Unterstützung mehr erhalten. Die Sendung kann hier abgehört werden.

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Einsicht in Beschlüsse der KESB – Teil II

Wie vor Kurzem berichtet, hat das Bundesgericht festgehalten, dass Gerichte grundsätzlich auch in familienrechtlichen Verfahren ihre Entscheide (in anonymisierter Form) der Öffentlichkeit bekanntgeben müssen (sog. Grundsatz der Justizöffentlichkeit). Dieser Grundsatz dürfte auch für diejenigen KESB gelten, welche als Verwaltungsbehörden konstituiert sind. Dies ergibt sich aus Art. 54 Abs. 4 ZPO i.V.m. Art. 450f ZGB (vgl. Blogeintrag vom 17.08.2021).

Art. 54 Abs. 4 ZPO ist grundrechtskonform auszulegen. Damit sind die aus Art. 30 BV resultierenden Vorgaben zur Justizöffentlichkeit zu beachten. In einem neueren Urteil hat das Bundesgericht nun in Bezug auf Art. 30 BV klargestellt, ein Anspruch auf Einsicht in Entscheide durch Dritte setze kein schutzwürdiges Interesse voraus. Dies im Gegensatz zum Anspruch auf Einsicht in (sonstige) Akten eines abgeschlossenen Verfahrens. Das Urteils ist auch lesenswert, weil er generell zusammenfasst, wie das Bundesgericht den Grundsatz der Justizöffentlichkeit versteht.

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KESB und Persönlichkeitsverletzung

Während zwei Jahren hat eine Zeitung eine Vielzahl von Zeitungsartikeln über eine KESB veröffentlicht. Gemäss einem neuen Urteil des Bundesgerichts hat die Zeitung dabei die Persönlichkeit mehrerer Akteure widerrechtlich verletzt. Das Urteil enthält interessante Ausführungen spezifisch zum Persönlichkeitsschutz im Zusammenhang mit dem Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (Insbesondere: Wann ist aus persönlichkeitsrechtlicher Sicht von einer Fortsetzungsgefahr auszugehen? Ist die Namensnennung einer Leitung der KESB zulässig? Inwiefern kann eine Trägergemeinde für Persönlichkeitsverletzungen, welche gegenüber der Leitung der KESB geltend gemacht werden, aktivlegitimiert sein? Wie weit reicht der Informationsauftrag der Presse?). Leider muss an dieser Stelle eine nähere Auseinandersetzung mit dem Urteil aus Zeitgründen unterbleiben.

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