Blick über den Tellerrand: Behindertenpolitik

An seiner Sitzung vom 10. März 2023 hat der BundeAn seiner Sitzung vom 10. März 2023 hat der Bundesrat den Bericht zur Behindertenpolitik 2023 – 2026 verabschiedet. Bedauerlich ist, dass der Bericht einzig mit zwei Verweisen auf die Behindertenrechtskonvention auskommt. Der Bundesrat hat beschlossen, dass Menschen mit Behinderungen besser vor Diskriminierung im Erwerbsleben und beim Zugang zu Dienstleistungen geschützt werden sollen. Zudem will der Bundesrat prüfen, wie die aktive Partizipation von behinderten Personen am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben mit gesetzlichen Massnahmen gefördert werden kann. Dabei soll auch geprüft werden, mit welchen Massnahmen das Behindertengleichstellungsgesetz das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit Behinderungen fördern kann. Der Bericht findet sich hier.

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ChatGPT und Erwachsenenschutz

Der Einsatz von ChatGPT wird derzeit rege diskutiert. Da hat es sich für Daniel Rosch angeboten, das Programm einen Erwachsenenschutzfall lösen zu lassen. Die Antworten des Programms sind im Folgenden aufgeführt (ich habe den Fall anonymisiert und teilweise abgeändert, ohne dass meine Anpassungen Auswirkungen auf die „Lösung“ haben). Beruhigend, dass uns die künstliche Intelligenz noch nicht ganz zu ersetzen vermag!

A ist eindeutig gefährdet und benötigt Erwachsenenschutzmassnahmen nach ZGB. Da sie XY hat, ist sie möglicherweise nicht in der Lage, ihre eigenen Angelegenheiten zu verwalten. Daher muss die KESB eine geeignete Erwachsenenschutzmassnahme nach ZGB ergreifen, um sie zu schützen. Mögliche Massnahmen sind z.B. die Einsetzung einer Personensorge oder eines Vormundschaftsrates, eine gesetzliche oder freiwillige Betreuung, die Einrichtung eines Treuhandschaftsverhältnisses, die Einrichtung eines Vermögensschutzverhältnisses oder die Einrichtung einer Vermögensverwaltung. Es ist auch möglich, dass A in ein XY umziehen muss, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Es ist wichtig, dass die KESB eine gründliche Gefährdungsabklärung durchführt, um eine angemessene Erwachsenenschutzmassnahme nach ZGB für A zu bestimmen.

Welche Massnahme wäre die richtige?

Die richtige Massnahme hängt von den spezifischen Umständen und Bedürfnissen von A ab. Daher ist es wichtig, dass die KESB eine gründliche Gefährdungsabklärung durchführt, um die richtige Erwachsenenschutzmassnahme nach ZGB zu bestimmen. Grundsätzlich können Personensorge, gesetzliche oder freiwillige Betreuung, Treuhandschaftsverhältnis, Vermögensschutzverhältnis oder Vermögensverwaltung in Betracht gezogen werden.

Entscheide Dich für eine Massnahme und erkläre warum.

Eine mögliche Massnahme für A ist die Einsetzung eines Vormundschaftsrates. In diesem Fall würde ein Vormundschaftsrat von einem Richter eingesetzt werden, um A’s persönliche, finanzielle und gesundheitliche Belange zu verwalten. Der Rat würde sich um ihre persönliche Sicherheit kümmern, ihr helfen, eine geeignete XY zu finden, und ihr helfen, ihre Finanzen zu verwalten. Der Rat würde auch sicherstellen, dass sie eine angemessene medizinische Versorgung erhält. Diese Massnahme würde A dazu ermutigen, einen sicheren und gesunden Lebensstil zu führen und gleichzeitig an ihrer Eigenständigkeit zu arbeiten.

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Opfer von Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981

Der Gemeinderat der Stadt Zürich hat über eine Verordnung beraten, welche vorsieht, dass Kinder und Jugendliche, die vor 1981 Opfer von Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen geworden sind, mit je CHF 25’000.– entschädigt werden. Da währende der Beratung Einigkeit über der Entschädigung bestand, ist damit zu rechnen, dass die Verordnung in der Schlussabstimmung angenommen werden wird. Näheres findet sich in einem Beitrag des Tages Anzeigers. Neben der vorgesehenen kommunalen Entschädigung besteht auch ein bundesrechtlicher Anspruch auf Ausrichtung eines Solidaritätsbeitrages in der Höhe von CHF 25’000.– (vgl. Art. 4 ff. AFZFG).

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Revision Erwachsenenschutzrecht

Der Bundesrat hat heute die Vernehmlassung zu einer Revision des Erwachsenenschutzrechts eröffnet. Diese dauert bis zum 31. Mai 2023. Unterlagen dazu finden sich hier. Ohne die Revision bereits jetzt näher kommentieren zu wollen, behebt sie meines Erachtens einige Schwachstellen des geltenden Rechts (z.B. ist neu vorgesehen, dass auch nahestehende Personen zur Beschwerde an das Bundesgericht im Interesse der betroffenen Person legitimiert sind; Meldewesen im Erwachsenenschutz) und bringt einige willkommene Klärungen (z.B. Definition der Verfahrensbeteiligten). Alles in allem scheint mir die Revision in die richtige Richtung zu zielen.

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Eigene Vorsorge

Modellgesetze sind Vorschläge an die Gesetzgeber:innen, wie rechtliche Regelungen in einer bestimmten Materie ausgestaltet werden könnten. Das „European Law Institute“ erarbeitet derzeit solche Modellgesetze in Bezug auf die eigene Vorsorge. Mehr über dieses Projekt findet sich hier.

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Zustellung über A-Post-Plus oder: Finde das einschlägige Verfahrensrecht…

Bekanntlich stellen viele Behörden den Betroffenen ihre Verfügungen und Entscheide per A-Post-Plus zu. Diese Zustellungsart enthält für Anwaltspersonen eine Fristenfalle: Bei der Zustellung über A-Post-Plus registriert die Post nämlich, zu welchem Zeitpunkt ein Schreiben in das Postfach der Adressatin gelegt wird. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung beginnt deshalb – anders als bei eingeschriebenen Sendungen – der Fristenlauf der Fristenlauf. Dies ist problematisch, wenn Verfügungen und Entscheide am Samstag in das Postfach gelegt werden: Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt der Entscheid am Samstag zugestellt und beginnt die Rechtsmittelfrist deshalb am Sonntag. Allerdings bemerken die Mitarbeitenden der Anwaltskanzlei montags nicht ohne Weiteres, ob eine Verfügung am Samstag oder am Montag zugegangen ist. Mit der Folge, dass der Fristenlauf für eine am Samstag zugestellte Verfügung allenfalls ab Dienstag gerechnet wird (falsche Annahme der Zustellung am Montag). Bei einer A-Post Plus Zustellung, welche am Montag zur Kenntnis genommen wird, sind Mitarbeitende von Anwaltskanzleien also gut beraten, abzuklären, ob die Post das Dokument am Samstag oder am Montag in das Postfach gelegt hat.  

Einfacher ist die Situation, wenn eine A-Post-Plus Zustellung gar nicht erlaubt ist. In einem neueren bundesgerichtlichen Entscheid hat deshalb eine Beschwerdeführerin geltend gemacht, für die Zustellung von KESR-Entscheidungen im Kanton Zug käme die ZPO zur Anwendung (welche keine A-Post-Plus Zustellung von Verfügungen und Entscheidungen kennt), da das kantonale Recht lückenhaft ist.

Der Fall zeigt exemplarisch auf, weshalb das derzeitige Verfahrensrecht nicht praktikabel ist: Gemäss § 56 EG ZGB/ZG ist für das Verfahren vor den zugerischen Behörden, unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen dieses Gesetzes und des Bundesrechtes, das kantonale Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG) anwendbar. Daraus könnte abgeleitet werden, die ZPO sei (als bundesrechtlicher Erlass) gegenüber dem VRG vorrangig. Mit der Folge, dass für die Art der Zustellung Art. 138 ZPO anwendbar wäre (welcher keine Zustellung via A-Post-Plus kennt). Allerdings wird dabei übersehen, dass die ZPO im KESR-Verfahren nur als kantonales Recht anwendbar ist und auch dies nur dann, wenn keine anderweitige kantonale Rechtsgrundlage besteht (vgl. Art. 450f ZGB). Damit war gemäss § 56 EG KESR/ZG i.V.m. § 21 Abs. 1 VRG/ZG die Zustellung über A-Post-Plus zulässig.

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Uneingeschränkte Untersuchungsmaxime und Noven

Im Verfahren vor der KESB sowie im Beschwerdeverfahren muss die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen erforschen (vgl. Art. 446 Abs. 1 ZGB). Für das Beschwerdeverfahren bestehen aber Beschränkungen, um Noven einzuführen, wie das Bundesgericht in einem neueren Urteil in Erinnerung gerufen hat: Wenn die Behörde von einer mündlichen Verhandlung absieht und keinen doppelten Schriftenwechsel vorsieht, sondern eine Partei unaufgefordert eine Eingabe einreicht (gestützt auf das Recht auf rechtliches Gehör), kann diese in der Eingabe keine Noven – insbesondere echte Noven – einführen. Auch ist es grundsätzlich nicht möglich, in dieser Eingabe die Beschwerdeschrift zu vervollständigen. Grund dafür ist, dass Noven nur bis zur Urteilsberatung zugelassen sind.

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Entgegennahme von Verfügungen durch die (vormalige) Beistandsperson nach Ende der Beistandschaft

In einem neuen Urteil hat sich das Bundesgericht mit der Entgegennahme einer Verfügung für die betroffene Person durch die (ehemalige) Beistandsperson beschäftigt. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Am 19.2.20219 ordnete die KESB für einen albanischen Staatsbürger eine Begleit- und Vertretungsbeistandschaft an. Das zuständige Migrationsamt ersuchte am 4. Juni 2020 das Staatssekretariat für Migration (SEM) um Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der betroffenen Person. In der Folge stellte das SEM der betroffenen Person die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und die Wegweisung in Aussicht.

Per 1. Januar 2021 zog die betroffene Person in einen anderen Kanton. Mit Entscheid vom 26. Januar 2021 hob die KESB die genannte Beistandschaft per 31. Januar 2021 auf.  

Mit Verfügung vom 5. März 2021 verweigerte das SEM die Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und wies die betroffene Person aus der Schweiz weg. Diese Verfügung stellte das SEM am 9. März 2021 der ehemaligen Beiständin der betroffenen Person zu. Am 18. März 2021 kam die betroffene Person wegen der Beendigung der Beistandschaft direkt bei der KESB vorbei. Bei dieser Gelegenheit übergab die Beiständin der betroffenen Person diverse Akten zur Beistandschaft. Das Aktenverzeichnis war in mehrere Rubriken, unter anderem „Verfügungen“ und „Entscheide“, unterteilt. Die Verfügung des SEM vom 5. März 2021 war unter keiner dieser Rubriken, sondern unter der Rubrik „Diverses“ aufgeführt, und zwar als „Schreiben SEM vom 05.03.2021.“  

Die betroffene Person erhob ein Rechtsmittel gegen den Entscheid vom 5. März 2021, allerdings erst nach Ablauf der Beschwerdefrist. Sie machte aber geltend, die Verfügung vom 5. März 2021 nie erhalten zu haben und ersuchte deshalb um Wiederherstellung der Beschwerdefrist.

Das Bundesgericht stellte zunächst klar, die (ehemalige) Beistandsperson sei nach Aufhebung der Beistandschaft gar nicht befugt gewesen, die Verfügung vom 5. März 2021 entgegenzunehmen. Vielmehr wäre es angezeigt gewesen, wenn sie ihren vormaligen Klienten ausdrücklich auf die Verfügung vom 5. März 2021 und das Risiko einer möglicherweise ausgelösten Rechtsmittelfrist aufmerksam gemacht hätte. Dies habe vorliegend umso mehr gegolten, als diese Verfügung die Wegweisung des Beschwerdeführers anordnete und für Letzteren damit existentielle Bedeutung hatte. Ein allgemeiner Hinweis auf zeitnahe notwendige Bearbeitung wäre unter diesen Umständen keinesfalls ausreichend gewesen.

Daraus ist abzuleiten, dass eine ehemalige Beistandsperson – sofern sie nach Ende der Beistandschaft eine Verfügung ihrer vormaligen Klientin entgegennimmt – ihre Klientin kontaktieren, die Verfügung aushändigen und auf das Risiko einer ausgelösten Rechtsmittelfrist aufmerksam machen sollte. Diesbezüglich muss die Beistandsperson der ehemaligen Klientin auch mitteilen, wann sie die Verfügung erhalten hat. Eine Übergabe der Akten mit einem allgemeinen Hinweis entbindet die Beistandsperson nicht von dieser Pflicht.

Zur Aktenübergabe hielt das Bundesgericht fest, es habe nicht nur an einer ausdrücklichen und konkreten Information gefehlt, sondern die Verfügung sei im Dossierverzeichnis «schlicht falsch», nämlich als blosses Schreiben aufgeführt, obwohl diesbezüglich eine Rubrik „Verfügungen“ vorhanden gewesen wäre. Insgesamt sei die betroffene Person dadurch irregeführt worden und habe gerade nicht erkennen können, dass eine an sie adressierte, belastende Verfügung vorlag und sofortiges Handeln geboten sei.

Diesbezüglich ist einzuwenden, dass die Rubrik «Verfügungen» sich regelmässig «nur» auf Verfügungen der KESR-Behörden bezieht. Richtig erscheint aber, dass die Beistandspersonen die Verfügungen anderer Behörden in einer eigenständigen Rubrik ablegen sollten.

Gestützt auf die obigen Erwägungen hiess das Bundesgericht das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist gut.

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Winterferien!

Der KESR Blog geht in die Winterferien. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit für die vielen Rückmeldungen zum Blog in diesem Jahr bedanken und wünsche dir/Ihnen eine frohe Lichterzeit. Wir lesen uns wieder im 2023!

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