Anfechtung Entschädigung Beistandsperson

In einem neueren Urteil konnte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit eine Erbin, welche aufgrund Universalsukzession für die Entschädigung der Beistandsperson aufkommen muss, gegen die Festsetzung einer Entschädigung zur kantonalen Beschwerde legitimiert ist. Das Gericht hat dabei die in der Lehre umstrittene Frage, ob die entschädigungspflichtige Erbin als Verfahrensbeteiligte (vgl. Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB) oder als Dritte mit einem rechtlich geschützten Interesse beschwerdelegitimiert ist (vgl. Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB), offen gelassen. Vielmehr hat es darauf hingewiesen, die Begründung der Vorinstanz, die Erbin könne als MItglied einer Erbengemeinschaft nicht alleine Beschwerde führen, sei unzutreffend. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt nämlich der Grundsatz, dass die Erben gemeinsam handeln müssen, nicht, wenn ein Erbe geltend machen will, eine Schuld bestehe nicht. Damit kann auch die KESB in dieser Kontellation nicht die Verfahrensstellung einer Erbin mit dem Argument verneinen, diese müsse zusammen mit den anderen Erben handeln.

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Rückweisungsentscheide: Vorgehen

Teilweise heissen die oberen Instanzen ein Rechtsmittel gut und weisen den Fall zur weiteren Behandlung an die untere Instanz zurück. In einem neueren Urteil (im familienrechtlichen Kontext) hat das Bundesgericht festgehalten, dass die untere Instanz bei einem Rückweisungsentscheid nicht einfach zur Urteilsberatung schreiten und einen neuen Entscheid treffen darf. Vielmehr muss die Behörde vor ihrem erneutem Entscheid die Entscheidgrundlage unter Geltung der uneingeschränkten Untersuchungsmaxime selber aktualisieren. Mithin feststellen, ob sich der massgebliche Sachverhalt verändert hat. Zudem muss die Behörde den Parteien die Möglichkeit einräumen, sich zu allfällig eingetretenen Änderungen zu äussern. Das Bundesgericht hat diese Grundsätze in Bezug auf die Rückweisung eines Entscheides der oberen kantonalen Instanz durch das Bundesgericht vorgesehen. Die Grundsätze dürften aber auch in Bezug auf die Rückweisung eines Entscheides der KESB durch die kantonale Beschwerdeinstanz gelten: Es sind keine Gründe ersichtlich, welche eine Ungleichbehandlung dieser zwei Konstellationen nahelegen würden.

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Ausstandsgesuche

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss eine Partei, welche ein Behördenmitglied ablehnen will, unverzüglich ein entsprechendes Gesuch stellen, sobald die Partei von einem Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat. Fraglich ist, was dies bedeutet, wenn sich der Ausstandsgrund erst aufgrund der Gesamtwürdigung einer Situation ergibt (z.B. bei ungewöhnlichen Fehlern in der Verfahrensleitung). Das Bundesgericht hat dazu in einem neueren Urteil (kindes- und erwachsenenschutzrechtlichen Kontext) in Erinnerung gerufen, selbst wenn das Ausstandsgesuch unverzüglich gestellt werden müsse, sei es es mit Blick auf die Gesamtsituation nicht nötig, jedes problematische Verhalten umgehend zu rügen. Dadurch verwirke eine Partei zwar die Möglichkeit, das Gesuch alleine mit diesem einen Ereignis zu begründen. Nicht ausgeschlossen sei aber, auf den „alten“ Ausstandsgrund zusammen mit neu hinzugekommenen Umständen zurückzukommen, sofern nicht missbräuchlich ein bloss vorgeschobener neuer Grund angerufen werde, der nicht ernstlich für die Begründung des Ausstands geeignet sei.

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Superprovisorische Massnahmen: Anwält:innen-Falle

In einem neueren Urteil (Einzelentscheid) des Bundesgerichts hat die Beschwerdeführerin im kantonalen Beschwerdeverfahren den Erlass einer superprovisorischen Massnahme beantragt, nicht aber den Erlass einer vorsorglichen Massnahme. Die Beschwerdeinstanz hat dieses Begehren inhaltlich behandelt, jedoch abgewiesen. Daraufhin ist das Bundesgericht zum Schluss gelangt, gemäss Art. 445 ZGB (und Art. 265 ZPO) dürften die Parteien nicht „isoliert“ superprovisorische Massnahmen verlangen. Es hätte deshalb „näher gelegen“, wenn die Beschwerdeinstanz nicht auf das „isolierte“ und somit unzulässige Begehren eingetreten wäre. Für Anwält:innen bedeutet diese Rechtsprechung, dass stets auch der Erlass einer vorsorglichen Massnahme beantragt werden sollte.

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Aktion „Kinder der Landstrasse“ als kultureller Völkermord?

Im Rahmen der 1926 von der Pro Juventute ins Leben gerufenen Aktion «Kinder der Landstrasse» sollten jenische Kinder zu «brauchbaren Gliedern» der Gesellschaft erzogen werden, indem die Kinder ihren Familien entzogen wurden. Das „Hilfs“werk – welches jahrzentelang durch den Bund massgeblich finanziert wurde – bestand bis 1973. Wie die „Tagesschau“ berichtet, soll nun ein Gutachten klären, ob es sich bei der Aktion im juristischen Sinne um Völkermord handelt. Der Tatbestand umfasst nicht „nur“ Tötungen von Menschen, sondern unter anderem auch das gewaltsame Überführen von Kindern in eine andere Gruppe (vgl. Art. 264 StGB). Der Beitrag der Tagesschau findet sich hier.

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Kindesanhörung: Durchsetzung durch die Eltern(?)

Zuweilen rügen Eltern, die KESB habe ihr Kind entgegen Art. 314a ZGB nicht angehört. In einem neueren Urteil (zu Art. 298 Abs. 1 ZPO, welcher aber über weite Strecken Art. 314a ZGB entspricht) konnte das Bundesgericht wieder einmal festhalten, dass Eltern eine Verletzung von Art. 314a ZGB nur rügen können, wenn sie eine solche Anhörung als Beweismittel angerufen haben. Haben sie die persönliche Anhörung nicht als Beweismittel beantragt, können sie die Kindesanhörung nicht mit der Begründung durchsetzen, dem Kind stehe diese als persönliches Mitwirkungsrecht zu (vgl. E. 2.3.1).

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Finde den Fehler…

Dass die Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips in der Praxis seine Tücken hat, zeigt ein neueren Urteil des Bundesgerichts eindrücklich auf. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Nachdem ihre Tochter durch eine Ärztin fürsorgerisch untergebracht wurde, erhob die Mutter eine Beschwerde an die erste kantonale Beschwerdeinstanz. Die Beschwerde begründete sie damit, die FU sei nicht nötig, wenn eine Person überzeugt werden könne, sich freiwillig zur Behandlung in die Klinik zu begeben. Die Zweckmässigkeit des Klinikaufenthaltes stellte die Mutter demgegenüber nicht in Frage.

Daraufhin trat die erste kantonale Beschwerdeinstanz nicht auf die Beschwerde ein. Dies begründete das Gericht wie folgt: Beschwerdeweise werde vorgebracht, dass sich die Betroffene freiwillig in die Klinik begeben hätte und die Voraussetzung der Unfreiwilligkeit nicht gegeben sei. Indes dürfe eine Person fürsorgerisch untergebracht werden, wenn die in Art. 426 ZGB genannten Voraussetzungen gegeben seien, was vorliegend zutreffe. Der ärztliche Unterbringungsentscheid entspreche diesen materiellen und im Übrigen auch allen formellen Erfordernissen. Ohnehin aber mangle es der Beschwerdeführerin an einer Beschwer, da sie das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht bestreite.  

Dass diese Begründung nicht tragfähig sein kann, hielt das Bundesgericht zu Recht fest: Das Gericht habe die Fragestellung „konstruktiv missverstanden“, indem es erwogen habe, soweit die Voraussetzungen gemäss Art. 426 ZGB vorlägen, sei alles rechtmässig. Das eigentliche Beschwerdethema (Anmerkung: Die Erforderlichkeit der FU) wurde damit bewusst umgangen und die aufgeworfene Rechtsfrage gerade nicht beantwortet. 

In der Sache hat das Bundesgericht die Beschwerde gutgeheissen und die Angelegenheit an die zweite kantonalen Beschwerdeinstanz zurückgewiesen (welche ursprünglich mit der Begründung, die betroffene Person sei in der Zwischenzeit aus der Einrichtung entlassen worden, nicht auf die Beschwerde eingetreten war).

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Blick über den Tellerrand: „Abberufung“ der SAMW-Richtlinien?

In einem neueren Urteil musste das Gericht über einen Fall entscheiden, in welchem eine Person an das bernische Gesundheitsamt mit den folgenden Anträgen gelangte:

„1. Es sei dem Gesuchsteller seitens der zuständigen Amtsstelle folgendes schriftlich zu bestätigen: 

a) Die Amtsstelle nimmt Kenntnis davon, dass der Gesuchsteller für sich in Bezug auf die Zukunft und beliebige Ärzte, sämtliche SAMW-Richtlinien, welche ethische Forderungen und/oder Postulate enthalten, gültig abgewählt hat, und dass diese demzufolge für seine medizinischen Behandlungen im Kanton Bern nicht angewendet werden dürfen. 

b) Dem Gesuchsteller wird bestätigt, dass aus der blossen Nichtbeachtung von SAMW-Richtlinien durch im Kanton Bern praktizierende FMH-Mitglieder sich keine aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen und Sanktionierungen von FMH-Mitgliedern ergeben.“

Die Amtsstelle ist nicht auf das Gesuch eingetreten. Das Bundesgericht hat diesen Entscheid im Ergebnis bestätigt, da weder die Voraussetzungen für den Erlass einer entsprechenden Feststellungsverfügung noch die Voraussetzungen des Rechtsschutzes gemäss Art. 29a BV vorliegen würden.  

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