Einsicht in die Urteile der KESB

In einem neueren Urteil musste das Bundesgericht über einen Fall entscheiden, in welchem die betroffene Person ein Gericht ersucht hatte, ihr sämtliche seit dem 1. Januar 2015 ergangenen Entscheide in verschiedenen Bereichen des Familienrechts in anonymisierter, digitaler Form zuzustellen.

Auch für diejenigen KESB, welche nicht als Gerichte konstituiert sind, ist das Urteil von Interesse. In Bezug auf die Frage, ob Entscheide der KESB öffentlich zugänglich sind, ist nämlich – wie im vorliegenden Fall – Art. 54 Abs. 4 ZPO anwendbar, soweit die Kantone dazu nichts legiferiert haben (vgl. Art. 450f ZGB). Zu Art. 54 Abs. 4 ZPO hat das Bundesgericht im vorliegenden Urteil festgehalten, diese Bestimmung besage «nur», dass die Verhandlungen (bzw. Anhörungen) und die allfällige mündliche Eröffnung des Urteils nicht öffentlich seien. Demgegenüber müssen die Behörde die Urteile in geeigneter (und anonymisierter) Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Nun ist die ZPO im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht nur sinngemäss anwendbar (vgl. Art. 450f ZGB). Mir fallen aber keine Gründe ein, weshalb diese Auslegung des Bundesgerichts nicht auch für die KEB gelten sollte – und die Behörden auch die KESB ihre Urteile jedenfalls auf Gesuch hin in anonymisierter Weise zugänglich machen müssten. Zumal die meisten Gründe, welche zur oben ausgeführten Auslegung von Art. 54 Abs. 4 ZPO geführt haben (Interesse der Rechtsfortbildung und Interesse an der Information der Anwaltschaft), auch für den Kindes- und Erwachsenenschutz gelten.

Das Bundesgericht hat im Urteil (im Zusammenhang mit Art. 30 Abs. 3 BV) festgehalten, sofern der Einsichtsanspruch die Anonymisierung einer grossen Zahl von Urteilen erfordere, stehe er unter dem Vorbehalt, dass diese Arbeit für die Gerichtsbehörde nicht einen übermässigen Aufwand darstellt. Im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 54 Abs. 4 ZPO hat es aber angedeutet, diese Ausnahme nur sehr restriktiv zu bejahen.

Abschliessend bleibt klarzustellen, dass die Entscheidöffentlichkeit den Betroffenen keinen Anspruch vermittelt, die Entscheide zugestellt zu erhalten. Für diejenigen KESB, welche als Gericht konstituiert sind, enthält das Urteil zudem noch weitere, grundlegende Erwägungen zur Entscheidöffentlichkeit nach Art. 30 Abs. 3 BV.