Sozialversicherungsrechtliche Stellung privater Fachbeistände

In einem heute publizierten Entscheid hat das Bundesgericht festgehalten, private Fachbeistände (d.h. Privatpersonen mit relevanten beruflichen Qualifikationen, welche neben anderen Aufgaben auch Beistandsmandate führen; z.B. bei den „Pro-Organisationen“ angestellte Personen, welche unter anderem Beistandschaften führen) seien im sozialversicherungsrechtlichen Sinn als selbständig erwerbstätig zu qualifizieren. Es ist davon auszugehen, dass diese Rechtsprechung auch für (andere) private Mandatsträger und für nebenamtliche Vormunde gilt. Zumal die für den Entscheid wesentlichen Aspekte auch bei diesen Mandatsträgern erfüllt sind. Allerdings hat das Bundesgericht in einem älteren Entscheid festgehalten, nebenamtliche Vormunde seien unselbständig erwerbstätig (BGE 98 V 230). Ob diese Rechtsprechung nach wie vor zutrifft, hat das Bundesgericht im dargelegten Entscheid nicht prüfen müssen.

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FU bei Verlegung?

In einem neueren Entscheid hat das Obergericht des Kantons Zürich festgehalten, die Verlegung einer per fürsorgerischer Unterbringung (FU) untergebrachten Person in eine neue Einrichtung (hier: Verlegung eines per FU in einem Alters- und Pflegeheim untergebrachten Mannes in eine psychiatrische Einrichtung zur Krisenintervention bzw. zur Medikamenteneinstellung) müsse nicht behördlich angeordnet. Dies jedenfalls, wenn die Verlegung zwischen zweier Institutionen bereits im Rahmen der Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung bewusst in Kauf genommen worden sei. Die Verlegung sei dann von der FU «mitumfasst». Meines Erachtens kann diese Auffassung nur gelten, wenn die Verlegung in die zweite Einrichtung zeitnah vorgesehen ist und die Behörde die Verhältnisse in der zweiten Einrichtung auch kennt (wie dies regelmässig bei der Verlegung von einem Geriatriespital in ein regionales APH der Fall ist). Nur dann kann die Behörde nämlich prüfen, ob die zweite Einrichtung für die Bedürfnisse der betroffenen Person geeignet sein wird, wie Art. 426 Abs. 1 ZGB verlangt. Im Gegensatz zum Obergericht bin ich deshalb der Ansicht, die hypothetische Möglichkeit, dass eine Person von einem APH in eine psychiatrische Einrichtung (zur Krisenintervention bzw. zur Einstellung der Medikation) verlegt werden muss, reicht nicht aus, um auf eine FU zu verzichten. § 31 EG KESR/ZH verlangt zwar für Verlegungen generell keine neue FU. Diese Bestimmung dürfte allerdings bundesrechtswidrig sein: Das Bundesrecht regelt – ausser im Rahmen der Nachbetreuung bzw. der ambulanten Massnahmen – das materielle Recht der FU abschliessend. Folgt man der Ansicht des Obergerichts, bestünde für die betroffene Person nur auf Antrag hin Rechtsschutz: Diese müsste ein Entlassungsgesuch stellen und den Entscheid der Klinikleitung bzw. der KESB anfechten.

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Covid-19 und Verfahrensrecht

Heute habe ich die Verordnung über Massnahmen in der Justiz und im Verfahrensrecht im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19-Verordnung Justiz und Verfahrensrecht) näher betrachtet. Dabei habe ich festgestellt, dass sie auch das Verfahren vor der KESB betrifft. Art. 6 der Verordnung lässt es zu, die Anzahl der an der Anhörung teilnehmenden Behördenvertreter zu verkleinern sowie vom Grundsatz der unmittelbaren Anhörung abzuweichen: «In Abweichung von den Artikeln 314a Absatz 1, 447 und 450e des Zivilgesetzbuches können persönliche Anhörungen durch ein einzelnes Mitglied oder eine Delegation der Kindes- oder Erwachsenenschutzbehörde oder der gerichtlichen Beschwerdeinstanz erfolgen und mittels Video- oder Telefonkonferenz gemäss Artikel 4 durchgeführt werden. Sofern eine Verhandlung stattfindet, kann diese ebenfalls mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden.». Artikel 4 statuiert Vorgaben für die Durchführung von Video- oder Telefonkonferenzen. Demnach muss a. die Übertragung von Ton und gegebenenfalls Bild zwischen sämtlichen beteiligten Personen zeitgleich erfolgen; b. bei Einvernahmen gemäss Artikel 2 Absatz 2 und Anhörungen gemäss Artikel 3 eine Aufzeichnung von Ton und gegebenenfalls Bild erfolgen und diese zu den Akten genommen werden; und c. der Datenschutz und die Datensicherheit muss gewährleistet sein. Zur Begründung hält der Bundesrat folgendes fest: «Auch für Verfahren des Kindes- und Erwachsenenschutzes sind dringend notrechtlich besondere Massnahmen zu erlassen und zwar für fürsorgerische Unterbringungen. Diese Verfahren dulden im Interesse der betroffenen Person keinen Aufschub und müssen rasch abgewickelt werden, weshalb auch besonders kurze Fristen gelten. In Abweichung vom geltenden Gesetzesrecht ist daher vorzusehen, dass nicht nur ausnahmsweise die persönliche Anhörung der betroffenen Person nicht durch das Kollegium der Kindes- oder Erwachsenenschutzbehörde oder der gerichtlichen Beschwerdeinstanz erfolgt, sondern durch ein einzelnes Mitglied oder eine Delegation. Zudem ist auch hier die Durchführung der persönlichen Anhörung mittels Video- oder Telefonkonferenz zulässig und zwar unabhängig vom Einverständnis der betroffenen Person, wie dies ebenfalls bereits teilweise praktiziert wird. Die Grundsätze von Artikel 4 für den Einsatz von Video- und Telefonkonferenzen und damit auch für die Aufzeichnung und deren Aufbewahrung gelten sinngemäss. Sofern eine Verhandlung stattfindet, kann diese ebenfalls mittels Video- oder Telefonkonferenz gemäss Artikel 4 durchgeführt werden. Auch ohne notrechtliche Regelung auf der Grundlage des geltenden Rechts zulässig ist die Durchführung weiterer Handlungen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde mittels Video- oder Telefonkonferenz, so insbesondere die Abklärungen der Verhältnisse gemäss Artikel 446 Absatz 2 ZGB.»

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Stellenwert Sozialbericht

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kommt einem Sozialbericht nicht der gleiche Stellenwert wie einem Gutachten zu. Die Gerichte bzw. die KESB können folglich unter weniger einschränkenden Bedingungen vom Sozialbericht abweichen. Wie das Bundesgericht in einem neueren Entscheid festgehalten hat (vgl. E. 4.4), müssen die Behörden allerdings die Gründe für das Abweichen vom Sozialbericht darlegen. Damit müssen sie sich im Entscheid mit dem Inhalt des Sozialberichts explizit auseinandersetzen.

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Internationaler Erwachsenenschutz

In internationalen Sachverhalten stellt sich die Frage, welches Land für einen Erwachsenenschutz-Fall zuständig ist und das Recht welchen Landes dabei angewendet werden soll. Weiter stellt sich die Frage, inwieweit ein ausländischer Entscheid in einem anderen Staat anerkannt werden kann. Schliesslich muss geprüft werden, inwieweit die Behörden länderüberschreitend zusammenarbeiten dürfen. All diese Fragen regelt das Haager Erwachsenenschutzübereinkommen (HEsÜ). Das European Law Institute hat nun ein Arbeitspapier veröffentlicht, welches sich mit dem Schutz von Erwachsenen in internationalen Sachverhalten beschäftigt. Obwohl sich das Papier primär mit der Situation innerhalb der Europäischen Union beschäftigt, enthält es auch Aspekte, welche für die Schweiz von unmittelbarer Bedeutung sind: So geht das Papier kritisch auf die einzelnen Artikel der Konvention ein (S. 30 ff.); schlägt weitere Verbesserungen für das HEsÜ vor (S. 45 ff.); und enthält eine Checkliste, welche Aspekte ein Vorsorgeauftrag enthalten soll, damit er in im Rahmen des HEsÜ wirksam sein kann (S. 49 ff.).

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Literaturtip

Ein Autorinnenkollektiv rund um Sandra Hotz hat ein Handbuch zur Stellung und Mitwirkung von Kindern im Verfahren erstellt. Während es bereits einige Literatur zu Kindern in KESB-Verfahren sowie in eherechtlichen Verfahren gibt, gehen die Autorinnen auf weitere Rechtsgebiete ein (Strafrecht, Gesundheitsrecht, Schulrecht, Asylrecht). Ein gewinnbringendes Buch, gerade wenn man ausserhalb der «klassischen» Rechtsbereiche mit Kindern konfrontiert ist.

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Ein Wenig weniger Arbeit für die KESB?

Der Bundesrat hat kürzlich einen Entwurf für eine Änderung der ZPO ankündigt, welche den Kindesschutz betreffen würde. Neu soll bezüglich des Unterhalts und weiterer Kinderbelange auch dann kein Schlichtungsverfahren mehr stattfinden, wenn zur nicht die KESB angerufen worden ist (EArt. 198 Abs. 1 lit. b bis ZPO). Die Änderung bringt meines Erachtens mehr Rechtssicherheit mit sich. Ob sie zu einer Entlastung der KESB führen wird, weil sich künftig mehr Personen direkt an das Gericht wenden, bleibt abzuwarten. In der Sache dürfte sich insofern keine Änderung ergeben, als dass das Gericht jederzeit eine Vermittlungsverhandlung durchführen kann (und höchstwahrscheinlich in Kindesunterhaltsfällen auch wird), vgl. Art. 226 ZPO. Als nächstes wird das Parlament über den vorgeschlagenen Entwurf beraten.  

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Covid-19 V: Patientenverfügungen

Bereits vor der Corona Krise haben Heime sowie Spitäler auf ihre Klient*innen eingewirkt, damit diese Patientenverfügungen errichten. Eine solche faktische Drohkulisse ist rechtswidrig: Jede Person steht es frei, ob sie eine Patientenverfügung errichten möchte, oder eben auch nicht. In Zeiten wie den vorliegenden steigt nun der Druck, Patientenverfügungen zu errichten, weiter an. Dies kritisiert ein ausgezeichneter Beitrag der «Republik» zu Recht.

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Anonymisierung meldende Person

In der Praxis taucht immer wieder die Frage auf, ob der betroffenen Person der Name der meldenden Person vorenthalten werden darf. Eine solche Praxis erscheint in aller Regel methodisch sehr zweifelhaft.

Aus rechtlicher Optik ist eine entsprechende Beschränkung des Akteneinsichtsrechts nicht per se unzulässig. Dafür müssen aber «überwiegende Interessen» bestehen (vgl. Art. 449b Abs. 1 ZGB). Das Bundesgericht hat sich in einem neueren, datenschutzrechtlichen Entscheid mit der Frage befassen müssen, inwiefern ein überwiegendes Interesse an der Anonymisierung einer Person bestehen kann, welche einen Arzt bei der Aufsichtsbehörde verzeigt hat. Die Einschränkung der Akteneinsicht sollte dabei gegenüber dem verzeigten Arzt vorgenommen werden. Soweit vorliegend von Interesse, hat das Bundesgericht explizit ein «gewisses öffentliches Interesse» an der Anonymisierung der anzeigenden Person «aus einer allgemeinen präventiven Sicht» anerkannt. Wörtlich hat es hierzu ausgeführt: «Erhält der Beschwerdeführer selbst Einsicht in anonymisierte Anzeigen, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass er aufgrund seiner Patientendatei herausfinden könnte, wer die Anzeiger sind. Wird bekannt, dass die Behörden die betroffenen Medizinalpersonen integral über allfällige Patientenanzeiger informieren müssen, selbst wenn sie die entsprechenden Anzeigen nicht befolgen bzw. als irrelevant erachten, könnte dies abschreckende Wirkung für künftige Fälle haben. Betroffene Patienten würden sich möglicherweise davon abhalten lassen, Anzeigen einzureichen, weil sie eventuell mit nachteiligen Folgen rechnen müssten, oder sie würden ihre Anzeigen nur noch anonym erstatten….“ Diese Überlegungen können analog vorgebracht werden, wenn die KESB den Namen der meldenden Person anonymisieren möchten. Die Begründung ist insofern „praktisch“, als die Behörden dabei nicht auf die Umstände des konkreten Falles eingehen müssen. Freilich muss meines Erachtens gleichwohl immer im Einzelfall geprüft werden, ob das öffentliche Interesse das private Interesse der betroffenen Person, den Namen der meldenden Person zu kennen, überwiegt.

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