Archivierung von Akten

Nach den kantonalen Archivgesetzen müssen die Behörden ihre Akten nach einer Schutzfrist den Staatsarchiven zur Verfügung stellen. Die Archive entscheiden dann, welche Akten archivwürdig sind. Die übrigen Akten sind zu vernichten. In einem neueren Entscheid musste sich das Bundesgericht mit dieser Ausgangslage beschäftigen. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führte über eine Person zwischen 1988 und 1991 eine Jugendpersonalakte. Zudem bestand bei der Psychiatrischen Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche (heute: Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel) eine Patientenakte mit Behandlungsunterlagen, psychiatrischen Gutachten und Verlaufsberichten, welche den Zeitraum von 1985 bis Ende Mai 2000 betrafen. Die JUGA bot am 22. August 2008 die Jugendpersonalakte dem Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt (im Weiteren: Staatsarchiv) an, welches diese am 11. Dezember 2008 übernahm und am 19. März 2009 im Archivinformationssystem erfasste. Die UPK übermittelten am 3. April 2017 dem Staatsarchiv die Patientenakte, welches diese übernahm und in das Archivierungsinformationssystem einfügte. Die betroffene Person ersuchte das Staatsarchiv darum, ihm seine Patientenakte und seine Jugendpersonalakte sowie allfällige Kopien hiervon herauszugeben bzw. die entsprechenden Akten zu sperren. Das Staatsarchiv lehnte dies ab.

Das Bundesgericht geht ausführlich auf die Frage ein, inwiefern die Archivierung gewisser Akten einem öffentlichen Interesse entspricht. Vorausgesetzt ist ab er – wohl im Rahmen der Prüfung der Verhältnismässigkeit – die Interessenabwägung im jeweiligen Einzelfall. Das Bundesgericht nimmt in der Folge eine solche Abwägung vor. Auch wenn der Fall das Jugendstrafrecht bzw. das Gesundheitsrecht betrifft, sind die Ausführungen sinngemäss auch auf die Archivierung von Akten der KESB anwendbar.

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Honorar Kindesvertretung

In einem neueren Urteil beschäftigte sich das Bundesgericht mit der Entschädigung der Kindesvertreterin im kantonalen Rechtsmittelverfahren. Im vorliegenden Fall kritisierte die nicht anwaltliche Kindesvertreterin der ihr im kantonalen Beschwerdeverfahren ausgerichtete Honoraransatz. Die Vertretung machte einen Aufwand mit einem Honoraransatz von CHF 220.–/Stunde geltend. Das Obergericht des Kantons Zürich reduzierte der Honoraransatz auf CHF 170.–/Stunde.

Über die Einzelheiten des vorliegenden Falles interessiert, dass gemäss Bundesgericht Art. 314abis ZGB, Art. 299 ZPO (i.V.m. Art. 405f ZGB) oder Art. 12 Abs. 2 UN-KRK kein Stundenansatz von CFH 220.–/Stunde zwingend ist.

Der Fall ist auch deshalb interessant, weil das Obergericht an BGE 142 III 153 erinnert, wonach eine Entschädigung gemäss Anwaltstarif bei nichtanwaltlicher Kindesvertretung nicht sachgemäss sei. Vielmehr kommen die Entschädigungsrichtlinien für Beistandspersonen (analog) zum Zug. Für die Festsetzung der Entschädigung kam deshalb nicht die kantonale Verordnung über die Anwaltsgebühren zum Zug, sondern die Verordnung über Entschädigungen und Spesenersatz bei Beistandschaften (ESBV/ZH). Diese führt zum unbefriedigende Ergebnis, dass Anwälte, welche als Kindesvertreter fungieren, einen höheren Stundenansatz geltend machen können als Sozialarbeitende.

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Praxisfalle: Elterliche Sorge in internationalen Verhältnissen

Ein neueres Urteil des Bundesgerichts zeigt Fallstricke auf, wenn die elterliche Sorge in internationalen Verhältnissen Verfahrensgegenstand ist. Vorliegend geht es um das Sorgerecht zweier Eltern für ein Kind, welches 2006 in Belgien zur Welt kam. Die Mutter ist mit dem Kind von Belgien in die Schweiz gezogen, der Vater zog von Deutschland in die Schweiz. Die Vorinstanz hiess den Antrag des Vaters um Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge gut, wogegen sich die Mutter vor dem Bundesgericht gewehrt hat. Das Bundesgericht hielt fest, dass gemäss Art. 16 Abs. 3 HKsÜ die elterliche Verantwortung nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes nach dem Wechsel dieses gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat fortbesteht. ZIel der Norm ist es, dass die elterliche Sorge durch den Umzug des Kindes unberührt bleibt. D.h. zum Beispiel, die gemeinasame elterliche Sorge bestehen bleibt, wenn das Kind in ein Land umzieht, welches für den gleichen Sachverhalt an sich die alleinige elterliche Sorge vorsieht. Wenn also miteinander unverheiratete Eltern aus einem Land, in welchem sie die gemeinsame elterliche Sorge ausüben, in die Schweiz ziehen, sind sie (entegen von Art. 298a Abs. 5 ZGB) automatisch gemeinsame Inhaber der elterlichen Sorge. Im vorliegenden Fall führte dies zum Ergebnis, dass der Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge gegenstandslos ist. Auswirkungen hat diese Rechtslage insbesondere auch auf Art. 301 Abs. 1bis ZGB.

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Aktualität von Gutachten

In einem neueren Urteil hat sich das Bundesgericht mit der Frage beschäftigen müssen, wann ein Gutachten aktuell. In diesem Zusammenhang hat es festgehalten, ein Gutachten könne auch „in Teilen“ aktuell sein. Diese Teile des Gutachtens sind damit bei der Entscheidfindung einzubeziehen. Das Bundesgericht verfolgt tendenziell eine strenge Linie, wenn es einem Gutachten die Aktualität absprechen soll: So ist es zwei Jahre nach Erstellung des Gutachtens über die Betreuung ein Kind zu Handgreiflichkeiten zwischen dessen Vater und dem Ehemann der Mutter gekommen. Diese Handgreiflichkeiten hätten gemäss der Vorinstanz einen bleibenden Eindruck auf das Kind gehabt. Gleichwohl bejaht das Bundesgericht die Aktualität des (vor der Handgreiflichkeiten erstellten) Gutachtens: Zum jetzigen Zeitpunkt, zwei Jahre nach der Handgreiflichkeit, könnten gemäss dem Bundesgericht auch mit einem neuen Gutachten kaum Erkenntnisse dazu gewonnen werden, wie dieser Vorfall sich auf das Kind ausgewirkt hat und ob es deswegen dauerhaft eine neue Einstellung zur Betreuungsregelung entwickelte.

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Fürsorgerische Unterbringungen in der Schweiz

Der „Tages Anzeiger“ widmet einen Beitrag der Praxis der fürsorgerischen Unterbringungen in der Schweiz (in Bezug auf die Einweisung in psychiatrische Einrichtungen). Demnach sollen pro Jahr 16’000 Zwangseinweisungen in Psychiatrien erfolgen. Leider ist der Bericht tendenziös geraten, so dass die berechtigte Kritik an der fürsorgerischen Unterbringung bzw. an deren Anwendung in der Praxis nicht differenziert dargestellt wird. Differenzierungen sorgen halt nicht für knackige Beiträge!

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Novenrecht im Beschwerdeverfahren

In einem neueren Urteil hat sich das Bundesgericht mit dem Novenrecht im Beschwerdeverfahren beschäftigen müssen (d.h. dem Einbringen von Tatsachen und Beweismittel in das Beschwerdeverfahren, welche entweder erst nach dem erstinstanzlichen Verfahren eingetreten worden sind oder im Verfahren vor der KESB nicht eingebracht worden sind). Während in Rechtsmittelverfahren normalerweise einschränkende Regeln zum Einbringen von Noven bestehen, ist das im KESR-Beschwerdeverfahren nicht der Fall: Noven sind unbeschränkt zulässig. Allerdings musste das Gericht die Frage entscheiden, bis zu welchem Zeitpunkt diese Noven im Beschwerdeverfahren eingebracht werden können: Dies ist der Fall, bis das Gericht zu erkennen gibt, dass die Phase der Urteilsberatung begonnen hat, wofür es genügt, dass es den Parteien mitteilt, es sei kein weiterer Schriftenwechsel vorgesehen-

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Genehmigung Unterhaltsvertrag

In einem neueren Urteil hat sich das Gericht mit der Genehmigung von Unterhaltsverträgen (Art. 287 Abs. 1 ZGB) befassen müssen. Der Vater hat mit seinem Kind (vertreten durch die Mutter) einen Unterhaltsvertrag abgeschlossen. Im Nachgang an die Unterzeichnung meldete er sich telefonisch bei der KESB und teilte mit, der Unterhalt sei zu hoch. Mit Schreiben vom 3. Juni 2021 machte er zudem geltend, seine Fragen seien anlässlich der Besprechung bei der KESB nicht richtig beantwortet worden. Er habe sich unter Druck gesetzt gefühlt und sei aufgrund der geleisteten Nachtschicht körperlich geschwächt gewesen. Ihm sei vorgetäuscht worden, dass ein Betreuungsunterhalt geschuldet werde. Dies treffe jedoch nicht zu. Er habe sich in einem Willensmangel befunden und halte den Vertrag nicht. Mit Entscheid vom 21. Juli 2021 genehmigte die KESB dennoch den Unterhaltsvertrag. Die kantonale Rechtsmittelinstanz schützte diesen Entscheid.

Das Bundesgericht stellte klar, dem Unterhaltsschuldner stehe es bei laufendem Genehmigungsverfahren offen, die Nichtgenehmigung des Unterhaltsvertrags zu beantragen. In diesem Zusammenhang könne er (unter anderem) Willensmängel (Art. 23 ff. OR) geltend machen, zumal die genehmigende Instanz den Unterhaltsvertrag insbesondere dahingehend zu überprüfen habe, ob sie dem freiem Willen und reiflicher Überlegung entspricht. Kann sich der Schuldner erfolgreich auf einen Willensmangel berufen, dürfe der Unterhaltsvertrag nicht genehmigt werden. In der Sache verneinte das Bundesgericht die Vorbringen des Vaters.

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Blick über den Tellerrand: Safeguarding

«Safeguarding» bezeichnet – generell gesprochen – das Gewährleisten geeigneter Sicherungsmassnahmen für Personen, welche aus diversen Gründen vulnerabel sind. Die Thematik ist deshalb auch dem Kindes- und Erwachsenenschutz inhärent.

Eine Podcast-Serie in England geht der Thematik des «Safeguarding» aus einer breiten Perspektive an. Die letzte Folge des Podcast mit dem Thema «The politics of safeguarding» ist hier abrufbar. Die restlichen Serien finden sich auf Spotify.

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Rat und Tat…

Teilweise umschreiben das Gesetz (vgl. Art. 308 Abs. 1 ZGB) sowie die KESB die Aufgabenbereiche der Beistandspersonen nur sehr allgemein. In einem neueren Urteil ging das Bundesgericht auf eine solche Formulierung ein („…als Ansprechperson in allen anfallenden Fragen und Anliegen der Betroffenen [d.h. C.A.________], der Eltern sowie der involvierten [schulischen, psychologischen, ärztlichen, therapeutischen etc.] Fachstellen / Fachpersonen zu amten“). Das Bundesgericht stellte klar, dass die Beistandsperson nur insofern Ansprechperson sein kann, als die Fragen und Anliegen die Kindeswohlgefährdung betreffen. Dieser Hinweis gilt meines Erachtens sinngemäss auch für die Aufgabe der Beistandsperson «die Eltern und das Kind mit Rat und Tat zu unterstützen». Insofern besteht keine allgemeine Unterstützungspflicht bzw. kein Unterstützungsrecht der Beistandsperson, sondern ist auch diese allgemein erscheinende Aufgabe massgeschneidert.

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