Rechtsvergleichung: Patientenverfügungen und Sterbehilfe

In den Niederlanden verfügte eine Frau: Sollte sie einmal dement werden, möchte sie Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Doch als sie es tatsächlich ist, ändert sie ihre Meinung. Trotzdem wird sie von einer Ärztin getötet. Auf diesen Fall – und dem Urteil des höchsten niederländischen Gerichts – geht ein Artikel der „Zeit“ ein.

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Teilnahme an Schlichtungsverhandlungen in Unterhaltssachen durch Beistandspersonen

Beistandspersonen können sich in Bezug auf ihren Auftrag, für den Kindesunterhalt besorgt zu sein, durch eine Anwaltsperson substituieren lassen. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Beistandspersonen an der Schlichtungsverhandlung – welche grundsätzlich einer Unterhaltsklage vorgeht – teilnehmen müssen. Gewisse kantonale Gerichte verneinen diese Frage. Mit der Folge, dass «nur» die Anwaltsperson an der Schlichtungsverhandlung teilnimmt.

Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid dieser Praxis ein Ende gesetzt und festgehalten, auch die Beistandsperson müsse an der Schlichtungsverhandlung teilnehmen. Denn die Parteien seien grundsätzlich verpflichtet, an der Schlichtungsverhandlung persönlich zu erscheinen (Art. 204 ZPO), und bei der Beistandsperson handle es sich um die gesetzliche Vertreterin des Kindes, mithin um eine Partei. Eine Ausnahme von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen gelte nur, wenn ein «gewöhnlicher» Sachverhalt vorliege, unter welchem die Dispensation zulässig ist (vgl. Art. 204 Abs. 3 ZPO).

Folgt man der Begründung des Bundesgerichts, gilt die Pflicht zur Teilnahme auch für Beistandspersonen, welche anderen Personen als Anwält*innen das Substitutionsrecht erteilen (z.B. Mitarbeiter eines juristischen Rechtsdienstes innerhalb der Berufsbeistandschaft).

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Anhörung und Ausstand

Wann muss der betroffenen Person der Name des anhörenden Behördenmitgliedes/der anhörenden Behördenmitglieder bekannt gegeben werden?

Aus Art. 29 BV ergibt sich das Recht der Betroffenen auf Kenntnis der entscheidtragenden Personen (Behördenmitglieder sowie – gemäss Bundesgericht – weiterer Expert*innen). Für die Praxis ist wichtig, zu welchem Zeitpunkt gemäss Art. 29 BV die relevanten Namen bekanntgegeben werden müssen (das ZGB regelt diese Frage nicht). Das Bundesgericht hat diese Frage in einem neueren Fall (E. 3.3 strassenverkehrsrechtlicher Kontext) weiter offen gelassen. Aus praktischen Gründen empfiehlt es sich aber, der betroffenen Person die Namen mit der Einladung zur Anhörung zukommen zu lassen. So muss die betroffene Person allfällige Ausstandsgründe noch vor dem Anhörungstermin vorbringen. Ausstandsbegehren können dann vor dem geplanten Termin bearbeitet werden. Erfährt die betroffene Person demgegenüber erst anlässlich der Anhörung die relevanten Namen, riskiert die Behörde eine Verfahrensverzögerung: Die Person könnte zu Beginn der Anhörung ein Aussstandsgesuch stellen, und es müsste allenfalls ein neuer Anhörungstermin festgesetzt werden (wenn die Behörde nicht umgehend über das Aussstandsgesuch entscheiden kann).

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Weitere explizite Meldepflicht gegenüber der KESB per 1.7.2020

Mit dem «Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen» statuiert die Gesetzgeberin per 1. Juli 2020 eine weitere explizite Meldepflicht gegenüber der KESB: Gemäss Art. 28b Abs. 3bis ZGB teilt das Gericht, welches für Schutzmassnahmen bei Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen zuständig ist, seinen Entscheid u.a. der KESB mit. Vorausgesetzt, dies erscheine zu deren Aufgabenerfüllung oder zum Schutz der klagenden Person notwendig (oder diene der Vollstreckung des Entscheides). Diese Gesetzesänderung ist nur (aber immerhin) symbolischer Natur: Gerichtsmitarbeitende üben eine amtliche Tätigkeit aus und sind damit bereits heute der KESB zur Meldung verpflichtet (Art. 314d Abs. 1 Ziff. 2 ZGB; 443 Abs. 2 ZGB)

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Parteientschädigung bei Aufhebung einer FU

In einem neueren Entscheid hat sich das Bundesgericht mit der Ausrichtung von Parteientschädigungen in einem FU-Verfahren auseinandersetzen müssen.Am 28. Oktober 2019 hiess das Gericht eine Beschwerde in Zivilsachen in Aufhebung des Entscheids des Obergerichts Bern gut und wies die Sache zum erneuten Entscheid an die KESB zurück. Dabei hielt es fest, die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung der betroffenen Person seien nicht erfüllt. Mit Blick auf die konkreten Umstände könne diese aber nicht ohne weiteres aus der Unterbringung entlassen werden. Die KESB habe daher Massnahmen zur Gestaltung der Übergangszeit und zur Vorbereitung der definitiven Entlassung zu treffen.  Zur Regelung der Kostenfolgen des kantonalen Verfahrens wies das Bundesgericht die Sache an das Obergericht zurück. Das Obergericht kam daraufhin zum Schluss, die betroffene Person sei vor Bundesgericht unterlegen. Deshalb bestehe keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Das Bundesgericht hat nun völlig zu Recht festgehalten, dass eine solche Betrachtungsweise nicht angehen kann: Zwar hat das Bundesgericht dem Antrag der betroffenen Person nicht Folge geleistet. Dies allerdings nur, damit die KESB die nötigen Begleit-, Vorbereitungs- und Übergangsmassnahmen treffen kann. Entsprechend hat sich die betroffene Person in der Hauptsache durchgesetzt. Folglich hat sie Anspruch auf Parteientschädigung. Diese darf allerdings gekürzt werden, weil kein vollständiges Obsiegen vorliegt.

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Kindesvertretung und persönlicher Verkehr

Das Bundesgericht beerdigt in einem neueren Urteil wiederum die Vertretung von Kindern, welche hinsichtlich des persönlichen Verkehrs urteilsunfähig sind. Das Gericht verweist im Entscheid darauf, ein Teilgehalt der Kindesvertretung bestehe darin, den Willen des Kindes gegenüber dem Gericht zum Ausdruck zu bringen. Darauf abgestützt hält es fest, dieser Aspekt könne nach der Rechtsprechung nur bei urteilsfähigen Kinder von Belang sein. Gestützt auf diese Überlegung kommt es sodann zum Schluss, eine Kindesvertretung sei für ein 10-jähriges Kind nicht erforderlich. Diese Rechtsprechung leuchtet mir nicht ein: Gerade wenn das Kind urteilsunfähig ist, ist es doch darauf angewiesen, dass eine Drittperson seinen Willen in das Verfahren einbringt. Wie (hoch) dieser Wille gewichtet wird, ist sodann eine andere, getrennt zu beurteilende Frage.

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Corona-Beschränkungen für psychisch Erkrankte

Das deutsche Bundesverfassungsgericht musste über den Eilantrag eines schwer depressiven Mannes entscheiden. Dieser trug vor, sein Leiden verschlimmere sich, wenn er keinen direkten Kontakt zu anderen Menschen pflegen kann. Er wollte erreichen, dass die Regelungen zur Kontaktbeschränkung gemäss der hessischen Corona-Verordnung vorläufig außer Kraft gesetzt werden. Das lehnte das Gericht ab. Der Entscheid interessiert auch für die Schweiz: Die Erwägungen des Gerichts sind sinngemäss auf die Situation bei uns übertragbar.

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Strafrecht vs. Erwachsenenschutz

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Massnahmen des Stafrechts gegenüber Massnahmen des Erwachsenenschutzes Vorrangig (BGE 92 IV 77; BGer vom 21.12.2016, 6B_232/2016, E. 3.3). In einem neueren Entscheid (vgl. E. 4) musste das Bundesgericht diesen Grundsatz auf einen Fall anwendem, in welchem ein Mann bedingt aus einer stationären Massnahme entlassen worden war. Obwohl er unbestrittenermassen (weiterhin) auf ein betreutes Wohnen angewiesen war, hat die Vollzugsbehörde mit der bedingten Entlassung den bestehenden Platzierungsvertrag gekündigt. Mit der Begründung, sie sei ab der bedingten Entlassung nicht mehr für die Kostentragung des Aufenthaltes zuständig. Das Bundesgericht hat klargestellt, dass dem nicht so ist: Erachtet die Vollzugsbehörde ein begleitetes Wohnen während der Zeit der bedingten Entlassung als notwendig, um einer Verwahrlosung und einer erneuten Delinquenz entgegenzuwirken, muss sie eine entsprechende Weisung erlassen. Dies selbst dann, wenn bereits entsprechende erwachsenenschutzrechtliche Massnahmen ergriffen wurden oder die betroffene Person eine solche Massnahme wünscht. Im Ergebnis muss also die Vollzugsbehörde die Unterbringung während des bedingten Vollzuges finanzieren.

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