Entführung von Minderjährigen: Strafrechtliche Aspekte

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann auch ein Elternteil, welcher an sich das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ein Kind ausübt, das Kind entführen, sofern das Verbringen des Kindes an einen anderen Ort massiv in dessen Interessen eingreift (so dass die Verlegung des Aufenthaltsortes nicht mehr vom Aufenthaltsbestimmungsrecht gedeckt ist). Erforderlich für den objektiven Tatbestand der Entführung ist zudem, dass die Ortsveränderung für eine gewisse Dauer vorgesehen und das Opfer in seiner persönlichen Freiheit tatsächlich beschränkt ist, es insbesondere nicht die Möglichkeit hat, unabhängig vom Willen des Täters an seinen gewohnten Aufenthaltsort zurückzukehren.

In einem neueren Urteil hat das Bundesgericht klargestellt, dass (im „zeitlichen Ablauf“) eine mehrfache Verurteilung wegen Entführung möglich ist, wenn ein Kind an einen anderen Ort verbracht worden ist, da es sich bei der Entführung an sich um ein Dauerdelikt handelt: Zunächst kann das Verbringen des Kindes an einen anderen Ort unter den obgenannten Umständen eine Entführung darstellen. Zudem kann zu einem späteren Zeitpunkt eine Entführung durch Unterlassen vorliegen, sofern der garantenpflichtige Elternteil in der Lage wäre, das Kind wieder an den vor der Entführung gewohnten Aufenthaltsort zurückzubringen (Tatmacht).

Das Urteil zeigt auch anschaulich, dass dem entführenden Elternteil einschneidende Konsequenzen drohen, sofern der Elternteil nicht das schweizerische Bürgerrecht hat: Bei der Entführung handelt es sich um ein Delikt, welches an sich zu einer obligatorischen Landesverweisung führt (Art. 66a StGB).