Zuständigkeit KESB/Zivilgericht

Gemäss Art. 198 lit. bbis ZPO entfällt das Schlichtungsverfahren bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, wenn vor der Klage ein Elternteil die KESB angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB). Obwohl dies nicht explizit gesetzlich vorgesehen ist, erscheint klar, dass die Anrufung der KESB in einem engen zeitlichen Abstand vor der Klageanhebung erfolgt sein muss. Das Bundesgericht hat nun in einem neueren Entscheid festgehalten, dieser enge Konnex nicht mehr gegeben sei, wenn zwischen der Anrufung der KESB und der Klageanhebung 8 Monate vergehen. Zur Klagebewilligung genüge dann, dass die Parteien in der Schlichtungsverhandlung präsent gewesen sind. Namentlich sei nicht nötig, dass die Parteien anlässlich der Schlichtungsverhandlung Einigungsgespräche führen.

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Sachliche Zuständigkeit Kinderbelange

Damit Betreuung und Kindesunterhalt durch die gleiche Behörde beurteilt werden können, sieht Art. 298d Abs. 3 ZGB vor, dass das Gericht im Fall einer «Klage auf Änderung des Unterhaltsbeitrages an das zuständige Gericht» nötigenfalls die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange neu regelt (sog. Kompetenzattraktion; vgl. diesbezüglich auch Art. 298b Abs. 3 ZGB). In der Rechtsprechung und Lehre ist umstritten, ob bereits ein Schlichtungsgesuch (betreffend den Kindesunterhalt) die Zuständigkeit der KESB zur Regelung der weiteren Kinderbelange entfallen lässt. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat in einem neueren Entscheid nun daran erinnert, dass das Schlichtungsgesuch in Kindesunterhaltsverfahren grundsätzlich entfällt, sofern im Vorgang ein Verfahren bei der KESB anhängig war (Art. 198 lit. bbis ZGB). In diesen Fällen kann die Einreichung eines Schlichtungsgesuches mithin gar nicht zu einer Kompetenzattraktion führen. Nach Ansicht des Gerichtes muss im Verfahren vor der KESB der Unterhalt gar nicht thematisiert worden sein, damit Art. 198 lit. bbis ZGB einschlägig ist. Vielmehr reicht es aus, wenn im Verfahren vor der KESB die Gelegenheit besteht, Unterhalt geltend zu machen. Auch hat das Gericht zu Recht festgehalten, der Schutz vor offenbarem Rechtsmissbrauch könne einer Kompetenzattraktion entgegenstehen, wenn eine Unterhaltsklage kurz vor dem Entscheid der KESB erhoben wird.

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Blick über den Tellerrand

In den USA sind die Gliedstaaten für das Familienrecht, inkl. Kindes- und Erwachsenenschutz, zuständig. Dennoch musste sich der U.S. Supreme Court gestern mit der Frage befassen, wo ein Kind seinen „gewöhnlichen Aufenthaltsort“ gemäss Haager Kindesentführungsübereinkommen hat. Die Frage ist auch für den Kindes- und Erwachsenenschutz i.e.S. von Bedeutung: Die Haager Übereinkommen über den Kindesschutz bzw. über den Erwachsenenschutz sehen grundsätzlich vor, dass die Behörden am „gewöhnlichen Aufenthaltsort“ der betroffenen Person zuständig sind. Im Rahmen der gestrigen Anhörung musste sich der Supreme Court insbesondere mit der (abzulehnenden) Auffassung beschäftigen, wonach ein „gewöhnlicher Aufenthaltsort“ erst vorliege, wenn sich die Eltern hierüber verständigt haben.

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Prüfungsdichte Genehmigung Schlussbericht

Endet das Amt, so erstattet die Beistandsperson der Erwachsenenschutzbehörde den Schlussbericht und reicht gegebenenfalls die Schlussrechnung ein. Die KESB prüft und genehmigt den Schlussbericht und die Schlussrechnung auf die gleiche Weise, wie die periodischen Berichte und Rechnungen (Art. 425 Abs. 2 ZGB). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie genau die KESB den Bericht prüfen muss. Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid, ohne weitere Ausführungen, festgehalten, eine “… volle inhaltliche Prüfung der Rechnung…“ habe nicht stattzufinden. Eine solche Prüfung sei vielmehr einem allfälligen Verantwortlichkeitsverfahren vorbehalten. Das Bundesgericht grenzt sich damit von einem älteren Urteil ab, in welchem es noch festgehalten hat, die Genehmigung der Schlussrechnung dürfe sich nicht auf formelle Punkte beschränken. Damit bleibt unklar, mit welcher Prüfungsdichte die KESB Schlussberichte genehmigen müssen.

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Zwang in Einrichtungen

Teilweise werden Personen, welche in Einrichtungen untergebracht werden bzw. untergebracht sind, Dritten gegenüber aggressiv. Dann stellt sich die Frage, inwieweit die Einrichtung gegenüber den aggressiven Personen Zwang anwenden soll (z.B. durch bewegungseinschränkende Massnahmen, vgl. Art. 438 ZGB i.V.m. Art. 383 ff. ZGB). Die «Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde» (DGPPN) hat 2019 eine lesenswerte Leitlinie verabschiedet. Diese zeigt auf, wie Zwang bei der Behandlung aggressiven Verhaltens von erwachsenen psychisch erkrankten Menschen vermieden werden kann.

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Suizid einer Person in einer Einrichtung

In einem neuen (zur amtlichen Publikation bestimmten) Entscheid hat das Bundesgericht dargelegt, inwieweit Angehörige einer Person, welche in einer staatlichen Einrichtung Suizid begangen hat, legitimiert sind, um gegen einen strafrechtlichen Einstellungsbeschluss Rechtsmittel zu erheben: Während die Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde an die kantonale Rechtsmittelinstanz besteht, sind die Angehörigen (als Privatklärger) nicht legitimiert, den Entscheid dieser Instanz an das Bundesgericht weiterzuziehen: Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist nicht anwendbar, wenn Haftungsansprüche gegenüber einer staatlichen Einrichtung geltend gemacht werden sollen.

In der Sache hat sich das Bundesgericht zunächst zur Frage geäussert, inwieweit beim Vorliegen einer psychischen oder physischen Erkrankung Art. 3 EMRK (Verbot der Folter bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung) berührt sein kann. Vorausgesetzt sei, dass eine Exazerbation der Erkrankung durch eine Behandlung, welche den staatlichen Behörden zugerechnet werden kann, erfolgt bzw. zu erfolgen droht. Weiter hat sich das Bundesgericht – mit Verweis auf den Entscheid des EGMR Tanase vs. Rumäninen (no. 41720/13) – zum verfahrensrechtlichen Gehalt von Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) geäussert. Demnach ist eine strafrechtliche Untersuchung nur dann notwendig, wenn der Tod einer Person bzw. deren Lebensgefährdung absichtlich herbeigeführt worden ist. Bei einer „unabsichtlichen“ Tötung bzw. Lebensgefährdung genüge es regelmässig, wenn den Opfern und deren Angehörigen wirksame zivilrechtliche Rechtsmittel zur Verfügung stünden, mit welchen die Verantwortung für den Tod sowie die Lebensgefährdung festgestellt und zivilrechtliche Haftungsansprüche begründet werden können. Freilich wird es zu Beginn einer Untersuchung wohl selten klar sein, ob die Täterschaft absichtlich eine Tötung bzw. Lebensgefährdung herbeigeführt hat.

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Literaturtip

Immer wieder gelangen Gemeinden mit Beanstandungen über die Mandatsführung von Beistandspersonen an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Zusammen mit Daniel Rosch habe ich in einem auf „Jusletter“ publizierten Beitrag untersucht, inwieweit die Gemeinden hierzu nach Art. 419 ZGB legitimiert sind. In diesem Rahmen gehen wir auch auf die – haftungsrechtlich bedeutsame – Frage ein, ob das Erwachsenenschutzrecht Schutznormen zu Gunsten Dritter aufweist.

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