Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen, welche vor 1981 ergangen sind, konnten beim Bund bis Ende März 2018 einen Solidaritätsbeitrag beantragen. Der «Kassensturz» hat nun in einem gestrigen Bericht darüber berichtet, dass dieser Solidaritätsbeitrag bei der Berechnung von Ergänzungsleistungen (EL) an das für die EL massgebliche Vermögen angerechnet wird (so Art. 4 Abs. 6 lit. c AFZFG). Was so technisch tönt, kann weitgehende Konsequenzen für diejenigen Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen haben, welche eine EL beziehen: Ihnen kann die EL wegen dem Solidaritätsbeitrag gekürzt oder gestrichen werden. Die Betroffenen profitieren dann faktisch nicht vom Solidaritätsbeitrag. Das Bundesamt für Justiz (BJ) begründet im Bericht diese Rechtslage damit, Verdingkinder sollten mit anderen Opfer gleichgestellt werden. Was auf dem ersten Blick plausibel erscheint, leuchtet bei näherer Betrachtung nicht ein: Normalerweise erhalten Opfer nur dann eine staatliche Entschädigung, wenn die Personen, welche eigentlich eine Entschädigung leisten sollten, dazu nicht in der Lage sind. Dies gilt gerade für die vom BJ explizit erwähnten Opfer einer Straftat. Mit anderen Worten leistet der Staat den Opfern normalerweise nicht eine Entschädigung wegen eigenem Verschulden. Beim Solidaritätsbeitrag ist dies aber ja gerade der Fall. Der staatliche Unrechtsgehalt, der hinter dem Solidaritätsbeitrag steckt ist also viel höher als bei anderen Entschädigungen. Es rechtfertigt sich damit, den Solidaritätsbeitrag anders zu behandeln als andere staatliche Entschädigungen an Opfer. Dies wäre auch geboten: Viele Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen müssen EL beziehen, weil sie wegen einer schlechten Grundausbildung nur unzureichend ein Altersvermögen äufnen konnten. Und dass diese Personen keine bessere Ausbildung absolvieren konnten, hängt oft damit zusammen, dass ihnen eine solche im Rahmen der Zwangsmassnahme bzw. der Fremdplatzierung verwehrt worden ist. Die derzeitige Rechtslage erscheint damit geradezu als zynisch!
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