Die 3. Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hat sich in einem Entscheid vom 30. April 2019 (T.B. v. Schweiz, 1760/15) mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwiefern eine fürsorgerische Unterbringung wegen Fremdgefährdung zulässig ist (vgl. allgemein zur Bedeutung von fremdgefährdetem Verhalten im Erwachsenenschutzrecht den ausgezeichneten Beitrag von Nora Bertschi und Boas Loeb). Mit dem Schweizerischen Bundesgericht (Entscheid 5A_500/2014 vom 8.7.2014) hat es dafürgehalten, dass Art. 426 ZGB fürsorgerische Unterbringungen ausschliesslich wegen Selbstgefährdungen zulasse. Der Gerichtshof hat aber das «Buebetrickli» des Bundesgerichts zu Recht nicht akzeptiert, wonach eine Person wegen ihres grossen Fremdgefährdungspotenzials persönlich schutzbedürftig – und damit selbstgefährdet – sein kann. Diese Auffassung sei zu generell und im angefochtenen Entscheid des Bundesgerichtes nicht vertieft begründet worden (vgl. Rz. 64 des Entscheides). Es bleibt abzuwarten, ob die Schweiz versuchen wird, den Fall durch die Grosse Kammer des EGMR behandeln zu lassen bzw. wie der Entscheid der 3. Kamer innerstaatlich umgesetzt werden wird (zumal die betroffene Person immer noch fürsorgerisch untergebracht ist, der angefochtene Entscheid sich aber «nur» auf die Zeitspanne von April 2014 bis April 2015 bezieht).
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