Am Verfahren beteiligte Personen

Die Bestimmungen zum erstinstanzlichen KESR-Verfahren greifen teilweise auf den Begriff der «am Verfahren beteiligten Personen» zurück. Allerdings ist nicht gesetzlich geregelt, welche Personen als verfahrensbeteiligt gelten sollen. Das Bundesgericht hat sich in einem Urteil vom 16. August 2019 eingängig dazu geäussert. Die Auffassung, wonach eine nahestehende Person nicht als am Verfahren beteiligt gelten könne (E. 3.2), kann in dieser Absolutheit nicht gefolgt werden. Ansonsten könnten die nahestehenden Personen gar nicht ihre Funktion – die betroffene Person bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen – sachgerecht wahrnehmen. Insofern zählen m.E. die nahestehenden Personen zu den Verfahrensbeteiligten, sofern sich diese explizit am Verfahren beteiligt haben oder durch die KESB beteiligt worden sind. Dass in Art. 450 ZGB die nahestehenden Personen separat neben den am Verfahren stehenden Personen aufgezählt werden, ändert daran nichts. Denn hinter dieser Regelung steht der Gedanke, dass auch diejenigen nahe stehende Personen, welche nicht am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt waren, zur Beschwerde legitimiert sein sollen.

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Verzicht auf Anhörung der betroffenen Person aufgrund fehlgeschlagener Anhörungsversuche?

In einem Urteil vom 14. August 2019 musste sich das Bundesgericht mit der Frage auseinandersetzen, unter welchen Umständen auf eine Anhörung der betroffenen Person verzichtet werden kann, weil zuvor angesetzte Anhörungstermine nicht stattfinden konnten. Im vorliegenden Fall beabsichtigte die KESB, eine Begleit- in eine Vertretungsbeistandschaft umzuwandeln. Drei diesbezügliche Anhörungstermine konnten nicht erfolgen: Der erste Termin, weil die betroffene Person im Zeitpunkt der Zustellung der Einladung zur Anhörung noch in den Ferien weilte (fraglich bleibt hier aber, ob die betroffene Person nicht mit der Zustellung rechnen musste); der zweite Termin wurden in gegenseitiger Absprache verschoben; und der dritte Termin konnte aufgrund eines Todesfalles in der Familie nicht stattfinden. In der Folge entscheid die KESB, ohne einen vierten Anhörungstermin anzusetzen. Das Bundegericht hielt hierzu fest, die KESB hätte die Beschwerdeführerin ein weiteres Mal aufbieten und ihr gegebenenfalls androhen müssen, mangels Mitwirkung auf Grund der Akten zu entscheiden. Sie hätte ihr zudem auch mitteilen müssen, dass die Beiständin eine Erweiterung der Massnahme beantragt hatte. Der vorliegende Entscheid ist insofern eher speziell gelagert, weil der betroffenen Person die Gründe für die drei geplatzten Anhörungen nicht (einseitig) angelastet werden können. Aus dem Entscheid darf aber wohl der Schluss gezogen werden, dass die KESB die betroffene Person über die Folgen einer fehlenden Mitwirkung im Rahmen einer Anhörung orientieren muss, bevor sie auf diese verzichtet, nachdem sie zunächst eine Anhörung vorgesehen hatte. Selbstredend muss die KESB darüber hinaus die betroffene Person über den Gegenstand der Anhörung orientieren. Wie viele Einladungen zur Anhörung erfolgen müssen, bevor die KESB aufgrund der Akten entscheiden darf, kann aber wohl nicht allgemein festgehalten werden. Dies dürfte von den Umständen des Einzelfalls abhängen.

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Herstellung der Vaterschaft

Mitunter errichten die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden Beistandschaften, damit die rechtliche Vaterschaft eines Kindes hergestellt werden kann. Auf diese Thematik geht ein Artikel des „Blick“ ein. Im Artikel führe ich aus, weshalb eine solche Beistandschaft nach Auffassung des Bundesgerichtes in aller Regel geboten ist.

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Fürsorgerische Zwangsmassnahmen

Die Unabhängige Expertenkommission «Administrative Versorgungen» hat ihren Schlussbericht betreffend die Administrativen Versorgungen in der Schweiz zwischen 1930 und 1981 erstattet. Der Bericht schliesst mit diversen Empfehlungen. Beim (sehr berechtigten) Blick in der Vergangenheit darf nicht vergessen werden, dass auch heute Personen gegen ihren (mutmasslichen) Willen untergebracht werden, insbesondere im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung. Dieser Thematik widmet sich «10 vor 10» (Ausgabe vom 2.9.2019; ab Minute 7:19). Es erschiene verfehlt, den früheren Umgang mit dem Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Selbstbestimmungen heute mit Hinweis auf den sich gewandelten Zeitgeist abzutun. Vielmehr sollte gerade das Bewusstsein, dass frühere Grenzziehungen zwischen Schutz und Selbstbestimmung (zu Recht) kritisch bewertet werden, die rechtsanwendenden Behörden zu einer stetigen, kritischen Selbstreflexion ihres Vorgehens einladen. Dies gilt auch für die Gesetzgeberin in Bezug auf die Ausgestaltung der rechtlichen Grundlagen.

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(Nicht mehr) unsäglich?

Ich habe in diesem Blog bereits berichtet, dass bei der Berechnung von Ergänzungsleistungen der Solidaritätsbeitrag gemäss dem AFZFG an das für die EL massgebliche Vermögen angerechnet wird (so Art. 4 Abs. 6 lit. c AFZFG). Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat nun gehandelt: In einer Motion beauftragt sie den Bundesrat, «… die notwendigen Massnahmen zu treffen, dass die Genugtuung für die ehemaligen Verdingkinder ohne Anrechnung an die EL unverzüglich ausbezahlt wird“.

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Biologische und rechtliche Vaterschaft

Bekanntlich ist im schweizerischen Recht der biologische Vater nicht zwingend der rechtliche Vater. Dies gilt unter anderem, wenn die Mutter verheiratet ist (Vaterschaftsvermutung). Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens verlangte der Ehemann – und rechtliche Vater – es sei dem Kind gestützt auf Art. 308 Abs. 2 ZGB eine Beistandsperson beizuordnen und diese zu beauftragen, eine Anfechtungsklage nach Art. 256 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB zu erheben. Das Bundesgericht stützte in seinem Urteil vom 30. Juli 2019 die Haltung der Vorinstanz, auf die Errichtung einer Beistandschaft zu verzichten. Dabei erwog das Bundesgericht, es sei spekulativ anzunehmen, dass sich ein Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und biologischer Vaterschaft per se entwicklungspsychologisch negativ auf das Kind auswirke. Anwaltspersonen müssen mithin eine Kindeswohlgefährdung konkret nachweisen. Inwiefern eine solche Gefährdung relevant erscheint, ist allerdings offen. Die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Errichtung einer Beistandschaft stellt nämlich im Ergebnis nicht auf entwicklungspsychologische Überlegungen ab (vgl. hierzu z.B. das Urteil des Bundesgerichts 5A_593/2011 vom 10. Februar 2012).

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Unsäglich!

Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen, welche vor 1981 ergangen sind, konnten beim Bund bis Ende März 2018 einen Solidaritätsbeitrag beantragen. Der «Kassensturz» hat nun in einem gestrigen Bericht darüber berichtet, dass dieser Solidaritätsbeitrag bei der Berechnung von Ergänzungsleistungen (EL) an das für die EL massgebliche Vermögen angerechnet wird (so Art. 4 Abs. 6 lit. c AFZFG). Was so technisch tönt, kann weitgehende Konsequenzen für diejenigen Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen haben, welche eine EL beziehen: Ihnen kann die EL wegen dem Solidaritätsbeitrag gekürzt oder gestrichen werden. Die Betroffenen profitieren dann faktisch nicht vom Solidaritätsbeitrag. Das Bundesamt für Justiz (BJ) begründet im Bericht diese Rechtslage damit, Verdingkinder sollten mit anderen Opfer gleichgestellt werden. Was auf dem ersten Blick plausibel erscheint, leuchtet bei näherer Betrachtung nicht ein: Normalerweise erhalten Opfer nur dann eine staatliche Entschädigung, wenn die Personen, welche eigentlich eine Entschädigung leisten sollten, dazu nicht in der Lage sind. Dies gilt gerade für die vom BJ explizit erwähnten Opfer einer Straftat. Mit anderen Worten leistet der Staat den Opfern normalerweise nicht eine Entschädigung wegen eigenem Verschulden. Beim Solidaritätsbeitrag ist dies aber ja gerade der Fall. Der staatliche Unrechtsgehalt, der hinter dem Solidaritätsbeitrag steckt ist also viel höher als bei anderen Entschädigungen. Es rechtfertigt sich damit, den Solidaritätsbeitrag anders zu behandeln als andere staatliche Entschädigungen an Opfer. Dies wäre auch geboten: Viele Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen müssen EL beziehen, weil sie wegen einer schlechten Grundausbildung nur unzureichend ein Altersvermögen äufnen konnten. Und dass diese Personen keine bessere Ausbildung absolvieren konnten, hängt oft damit zusammen, dass ihnen eine solche im Rahmen der Zwangsmassnahme bzw. der Fremdplatzierung verwehrt worden ist. Die derzeitige Rechtslage erscheint damit geradezu als zynisch!

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Urteils(un)fähigkeit

Bekanntlich spielt die Urteilsfähigkeit im Erwachsenenschutzrecht eine wichtige Rolle: Insbesondere knüpfen die nicht behördlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzes (Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung, gesetzliche Vertretungsrechte) an die Urteilsunfähigkeit an (nicht aber die Beistandschaft als behördliche Massnahme). Das Bundesgericht hat nun in einem erbrechtlichen Urteil zentrale Grundsätze der Urteils(un)fähigkeit in Erinnerung gerufen. So hat es in Erinnerung gerufen, dass die Vermutungen der Urteis(un)fähigkeit nur für den Fall gelten, dass die Behörde weder vom Vorliegen der Urteilsfähigkeit noch vom Bestehen der Urteilsunfähigkeit überzeugt ist (E. 4.2). Mit anderen Worten ändern diese Vermutungen nichts daran, dass die KESB in einem ersten Schritt (gestützt auf die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime, Art. 446 ZGB) versuchen mus, die Urteils(un)fähigkeit einer Person abzuklären. Weiter hat das Bundesgericht festgehalten, der Konsum von Morphinen und Cannabis führe nicht per se zur Urteilsunfähigkeit einer Person.

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Partizipationsrechte im Verfahren

Die Partizipation der betroffenen Person in einem Verfahren vor der KESB ist aus rechtssoziologischer Sicht zentral: Durch die Partizipation erfahren die Betroffenen Selbstwirksamkeit. Als Folge können sie Entscheide regelmässig besser akzeptieren. Dies unabhängig davon, ob das Verfahrensergebnis aus ihrer Sicht positiv oder negativ ist (vgl. meinen Beitrag dazu). Der australische «Guardianship and Administration Council» hat sich mit der Frage beschäftigt, wie die Partizipation verbessert werden kann. Die dabei entstandenen Richtlinien können Sie hier lesen.

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