Einschränkung Besuchskontakt / Kindeswille

In einem heute publizierten Entscheid hat sich das Bundesgericht mit einem Fall beschäftigen müssen, in welchem eine Mutter mit Blick auf den Willen des Kindes geltend gemacht hat, der Vater solle das Kind nicht (im Rahmen des Besuchskontaktes betreuen). Das Kind war im Zeitpunkt der Anhörung 8-jährig. Daraus schloss das Bundesgericht schloss, es sei in diesem Zeitpunkt nicht zu einer autonomen Willensbildung bezüglich der väterlichen Betreuung fähig gewesen (auch im jetzigen Alter von 10-Jahren dürfte diese Fähigkeit gemäss Bundesgericht nicht hinreichend ausgebildet sein). Weiter hielt das Gericht fest, der schrittweise, durch eine psychologische Begleitung flankierte Aufbau des persönlichen Kontaktes zum Vater entspreche vorliegend dem Wohl des Kindes, auch wenn die Annäherung kurzfristig mit Ängsten und Verunsicherungen verbunden sei. Schliesslich erteilte das Bundesgericht auch der offenbaren Haltung der Mutter, wonach das Kind keinen Kontakt zum biologischen Vater mehr brauche, weil es in ihrem neuen Partner eine Vaterfigur gefunden habe (vorliegend sprach das Kind den Partner mit «Papa» an), eine Absage.

WeiterlesenEinschränkung Besuchskontakt / Kindeswille

Freiheitsentziehung durch die Inhaber der elterlichen Sorge?

Der englische Supreme Court musste sich in einem kürzlich ergangenen Urteil mit der Frage auseinandersetzen, ob die Inhaber der elterlichen Sorge der Unterbringung eines (geistig behinderten) 16- bzw. 17-jährigen Kindes zustimmen können, wenn die Umstände der Unterbringung als Freiheitsentziehung zu qualifizieren sind (vgl. insbes. Ziff. 42 – 48 des Urteils). Für die Schweiz ist dieses Urteil von Interesse, weil es sich unter anderem auf die EMRK bezieht. Betroffen sind namentliche Art. 8 EMRK (weil die elterliche Sorge in dessen Schutzbereich fällt) sowie Art. 5 EMRK (welcher spezifische Voraussetzungen und Garantien bei einem Freiheitsentzug normiert).

Die Mehrheit des Supreme Courts ist zum Schluss gelangt, eine Freiheitsentziehung i.S.v. Art. 5 EMRK setze unter anderem voraus, dass ein Kind mehr kontrolliert wird als ein anderes Kind im gleichen Alter. Unter anderem dadurch habe sich der vorliegend zu beurteilende Fall vom berühmten Entscheid des EGMR Nielsen v. Dänemark unterschieden. Weiter führte die Mehrheit des Supreme Courts aus, die Inhaber der elterlichen Sorge könnten generell nicht einem Eingriff in die grundlegendsten Rechte der EMRK zustimmen. Darunter falle neben dem Recht auf Leben, dem Recht, nicht gefoltert zu werden auch das Recht auf Freiheit. Entsprechend könnten die Inhaber der elterlichen Sorge einer Freiheitsentziehung i.S.v. Art. 5 EMRK nicht zustimmen.

WeiterlesenFreiheitsentziehung durch die Inhaber der elterlichen Sorge?

Chaos rund um die Betreuung

Bedauerlicherweise verwendet die Gesetzgeberin diverse Begriffe für die Betreuung des Kindes: (Alternierende) Obhut, persönlicher Verkehr, Betreuungsanteile. Dabei wird aus dem Gesetz nicht klar, in welchem Verhältnis diese Begrifflichkeiten zueinander stehen. Die h.L. geht davon aus, dass derjenige Elternteil, welcher das Kind im Rahmen des persönlichen Verkehrs betreut, die Obhut für das Kind nicht inne habe. Vielmehr sei der andere, hauptsächlich betreuende Elternteil Inhaber der Obhut. In einem Urteil vom 29. August 2019 hat das Bundesgericht nun – ohne sich mit der h.L. auseinanderzusetzen – festgehalten, das Kind stehe während der Zeit, während welcher ein Elternteil zur Ausübung des persönlichen Verkehrs berechtigt ist, in der faktischen Obhut desselben (E. 3.5.2). Weitergehend hat das Bundesgericht – entgegen der h.L. – entschieden, dass sich der Begriff «Betreuungsanteile» nicht nur auf Betreuung im Rahmen einer alternierenden Obhut bezieht. Vielmehr sind bei der Regelung des persönlichen Verkehrs die Betreuungsanteile (mit-)gemeint. (E. 3.5.2). Schliesslich hat das Bundesgericht festgehalten, es bestehe kein schutzwürdiges Interesse, dass die Betreuungsintervalle eines Elternteils als «alternierende Obhut» an Stelle von «persönlicher Verkehr» bezeichnet werden (E. 3.5.3).

WeiterlesenChaos rund um die Betreuung

Beschneidung eines Knaben

Die Medien haben über einen Fall berichtet, in welchem das Obergericht Zürich entscheiden musste, ob eine Mutter in Vertretung ihres (10-jährigen) Sohnes die Erlaubnis zu dessen Beschneidung geben darf. Das sehr lesenswerte Urteil, welches sowohl Aspekte des Kindesschutzes (Kindeswohlgefährdung) als auch Aspekte des Personenrechtes (höchstpersönliche Rechte) berührt, findet sich hier.

WeiterlesenBeschneidung eines Knaben

EMRK und psychische Beeinträchtigungen

Wenn Behörden mit Personen konfrontiert sind, welche an psychische Beeinträchtigungen leiden, müssen sie die Konventionsrechte der EMRK berücksichtigen. Für die KESB gilt dies insbesondere im Zusammenhang mit fürsorgerischen Unterbringungen. Eine gute Übersicht über die Rechtsprechung des EGMR zur EMRK hinsichtlich Personen mit psychischen Beeinträchtigungen findet sich hier.

WeiterlesenEMRK und psychische Beeinträchtigungen

Sachliche Zuständigkeit KESB – Gericht

Die Gestaltung der Kindesbetreuung hat einen erheblichen Einfluss auf die Verteilung des Unterhaltes. Deshalb erscheint es nur logisch, wenn eine Instanz (Gericht oder KESB) für beide Angelegenheiten sachlich zuständig ist. Im Rahmen der Revision des Kindesunterhaltes hat der Gesetzgeber durch eine Ergänzung von Art. 298b Abs. 3 und Art. 298d Abs. 3 ZGB sowie durch den neu geschaffenen Art. 304 Abs. 2 ZPO Klarheit geschaffen: Das mit der Unterhaltsfrage befasste Gericht hat im Sinn einer Kompetenzattraktion auch über die Betreuung zu entscheiden. In einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil hat sich das Bundesgericht mit der Frage, befasst, welche Rechtsfolge eintritt, wenn die KESB in Verletzung dieser Kompetenzattraktion einen Entscheid über die Betreuung fällt. Es ist im zu beurteilenden Fall zum Schluss gekommen, dass der Entscheid der KESB anfechtbar, nicht aber nichtig sei. Entscheidend war für das Bundesgericht unter anderem, dass sich die Parteien vorbehaltlos auf das Verfahren vor der KESB eingelassen und dieses auch nach Hängigkeit der Unterhaltsklage vorbehaltlos weitergeführt haben. Für die Rechtspraxis bedeutet dies, dass die fehlende sachliche Zuständigkeit einer Behörde umgehend gerügt werden sollte.

WeiterlesenSachliche Zuständigkeit KESB – Gericht

Interessenkollision Unterhaltsklage

In der Lehre ist strittig, ob bei gemeinsamer elterlicher Sorge der Elternteil, welcher nicht unterhaltspflichtig ist, in Vertretung des Kindes klagen kann oder ob dies aufgrund einer Interessenkollision nicht möglich ist (vgl. Art. 306 ZGB). Das Bundesgericht hat nun in einem gestern publizierten Urteil festgehalten, im selbständigen Kindesunterhaltsverfahren seien hinsichtlich der Vertretungsmacht eines Elternteils mit Blick auf Art. 306 ZGB die Grundsätze von Art. 299 ZPO analog anzuwenden. Demnach sei ein Vertreter des Kindes nur zu bestellen, wenn dies im konkreten Fall notwendig erscheine. Mit anderen Worten besteht in diesen Verfahren nicht per se eine Interessenkollision des nicht unterhaltspflichtigen Elternteils. Damit folgt das Bundesgericht im Ergebnis der von Patrick Fassbind und mir in einem Aufsatz dargelegten Auffassung.

WeiterlesenInteressenkollision Unterhaltsklage