Haftungsfälle durch Beistandspersonen

Die „Sonntags-Zeitung“ berichtet in ihrer letzten Ausgabe über eine in diesem Blog bereits vorgestellte Studie des Bundesamtes für Justiz. Demnach komme es in den Jahren 2016 – 2018 im jährlichen Durchschnitt zum 750 Haftungsfällen. Diese Zahl erscheint auf den ersten Blick relativ hoch. Allerdings beträgt die Fehlerquote bei Berufsbeiständen gemäss der Studie 0.5 Prozent, bei privaten Beistandspersonen 1.4 Prozent. Sie ist also, zumindest was die Erwartungen an private Beistandspersonen betrifft, relativ tief. Zudem darf nicht übersehen werden, dass die Mehrzahl der Fehler nur geringfügige finanzielle Auswirkungen zur Folge haben, wie der Bericht festhält. Auch ist nicht zu übersehen, dass gewisse KESB dazu übergehen mussten, „fehleranfälligere“ private Beistandspersonen anzuwerben, weil die Berufsbeistandspersonen aufgrund zu knapper Ressourcen überlastet sind.

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Ersatzbeistandschaft vs. eigenes Handeln der KESB

Wenn eine Beistandsperson die betroffene Person in ihrer eigenen Institution unterbringen möchte (ohne dass eine FU erforderlich erscheint), liegt offensichtlich ein abstrakter Interessenkonflikt seitens der Beistandsperson vor. Deshalb kann sie nicht über die Verlegung des Aufenthaltsortes entscheiden (vgl. Art. 403 Abs. 2 ZGB). Das ZGB sieht vielmehr vor, dass die KESB einen Ersatzbeistand ernennen muss oder die Sache selber regeln kann (vgl. Art. 403 Abs. 1 ZGB). In einem neueren Entscheid hat das Bundesgericht nun klargestellt, dass die KESB auch dann die Angelegenheit selber regeln kann – und somit auf eine Ersatzbeistandschaft verzichten kann – wenn die Angelegenheit unter den Geltungsbereich von Art. 416 ZGB fällt (vorliegend: Auflösung des Haushaltes bzw. Kündigung der Wohnräumlichkeiten; Abschluss eines Dauervertrages für die neue Unterbringung, Art. 416 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZGB).

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Keine FU wegen Fremdgefährdung

Wie bereits berichtet, hat der EGMR entschieden, Art. 426 ZGB stelle keine Grundlage für die fürsorgerische Unterbringung dar, wenn eine Person «nur» Dritte gefährdet. Das Bundesgericht hat nun die Rechtsprechung des EGMR übernommen: In einem neuen Entscheid hat festgehalten, die fürsorgerische Unterbringung sei kein Mittel, das Risiko zu reduzieren, dass eine Person in Zukunft nicht näher bezeichnete Straftaten begeht. Dies gelte unabhängig davon, wie hoch das Risiko eingeschätzt werde. Vorliegend wies das Bundesgericht die Angelegenheit an die KESB zurück. Diese habe zu prüfen, „… welche weniger tief in die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers eingreifenden Massnahmen anzuordnen sind. Die zu treffenden Massnahmen sollen einerseits der Gestaltung der Übergangszeit bis zur definitiven Entlassung aus der stationären Massnahme dienen und andererseits festlegen, welche zielgerichteten und erfolgversprechenden Massnahmen zu treffen sind, bevor er tatsächlich auf sich alleine gestellt werden kann.“ Bis zum Vorliegen dieser Massnahmen verbleibt der Beschwerdeführer allerdings in einer Einrichtung. Spannend sein, wie die Rechtslage wäre, wenn die KESB die erforderlichen Abklärungen nicht beförderlich durchführt bzw. durchführen kann.  

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Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse durch das Verfahrensrecht

In Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren sehen sich die Behörden mit zwei gegensätzlichen Bedürfnissen konfrontiert: Einerseits mit dem Bedürfnis nach einem „schlanken, raschen“ Verfahren (Überwiegender Anteil der Entscheide im KESR greifen vergleichsweise geringfügig in die Persönlichkeit der Betroffenen ein; jedenfalls im Erwachsenenschutz stimmen die Betroffenen den Massnahmen zu; KESR als „Massengeschäft“; beschränkte Ressourcen der KESB). Andererseits besteht auch teilweise das Bedürfnis nach einer ausgebauten verfahrensrechtlichen Stellung der Betroffenen. Insbesondere, wenn die Massnahmen einen ausgeprägt starken Eingriff in die Rechtsstellung der Betroffenen zur Folge haben (z.B. FU, Aufhebung Aufenthaltsbestimmungsrecht). Auf diesen Umstand ist das Bundesgericht in einem neuen Entscheid eingegangen: Es hat festgehalten, seitens der Behörden dränge sich „…eine besondere Vorsicht im Umgang mit den (prozessualen) Rechten der betroffenen Partei auf…“, wenn eine Massnahme wesentlich in die körperliche Integrität und damit in die (Persönlichkeits-)Rechte der Beschwerdeführer eingreift. Dieser Grundsatz hatte im vorliegenden Fall (Anordnung einer regelmässigen ambulanten Behandlung zwecks Verabreichung einer Depotmedikation) zur Folge, dass das Bundesgericht ein Verhalten der betroffenen Person (fehlendes Abmahnen der Zustellung von Akten) nicht als treuwidrig einstufte.

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Schwere Kost theatralisch umgesetzt

Die Theatercompany «Texte und Töne» erzählt in ihrem neuen Stück «Ver-Ding» den Weg zweier ehemaliger Verdingkinder. Nach Ankündigung der Company zeigt das Stück, „…was niemand sehen wollte, erzählt worüber geschwiegen und was in Abrede gestellt wurde.“ Hier gibt es weitere Informationen zum Theaterstück und werden die Spielorte/Termine aufgeführt.

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Immer wieder…

Berichten die Medien über das Wechselmodell für die Betreuung von Kindern. So auch die „Zeit“ in einem neueren Artikel. Dazu zwei Anmerkungen: 1. Im Kontext der Gesetzgebungssymbolik  mag relevant sein, ob die Gesetzgeberin ein bestimmtes Betreuungsmodell favorisiert. Kein denkbares Betreuungsmodell der Welt wird aber in sämtlichen Fällen mit dem Kindeswohl vereinbar sein (das behaupten auch diejenigen Personen, welche das Wechselmodell favorisieren, nicht). Entsprechend interessiert m.E. aus fachlicher Sicht nicht so sehr die Frage nach gesetzgeberischer Regel und Ausnahme eines Modells. Sondern vielmehr die Frage, unter welchen konkreten Kriterien ein bestimmtes Betreuungsmodell dem Kindeswohl entspricht. 2. Damit das Wechselmodell (unabhängig von der gesetzlichen Regelung) auch faktisch die Regel sein kann, müssten in der Schweiz die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Betreuung von Kindern durch beide Elternteile geändert werden (vgl. hierzu auch die Studie der Universität Genf über die alternierende Obhut).

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Solidaritätsbeitrag

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 7. Oktober 2019 darüber befinden müssen, inwiefern die Frist, einen Solidaritätsbeitrag zu beantragen (gemäss Art. 5 Abs. 1 AFZFG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 AFZFV waren die Gesuche um Gewährung des Solidaritätsbeitrags bis spätestens 31. März 2018 einzureichen), wiederhergestellt werden kann. In Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat es festgehalten, mangelnde Kenntnisse der Rechtslage würden grundsätzlich keine Wiederherstellung rechtfertigen. Das Bundesverwaltungsgericht weist im Urteil darauf hin, dass die Behörden neben der Publikation in den amtlichen Organen ab 2017 aktiv über die Solidaritätsbeiträge in mehreren Medienkonferenzen informiert haben. Entsprechend dürfte m.E. kaum je ein Grund für die Fristwiederherstellung vorliegen.

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Umfassende Beistandschaft und Urteilsunfähigkeit

Teilweise vertritt die Praxis die Auffassung, die Errichtung einer umfassenden Beistandschaft setze voraus, dass eine Person urteilsunfähig ist. Diese Auffassung findet im Wortlaut von Art. 398 Abs. 1 ZGB «…namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit…» (Hervorhebung durch den Verfasser) keine Stütze. Sie ist deshalb abzulehnen, wie das Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Entscheid bestätigt hat.

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