Berechnung des Kindesunterhaltes bei bevormundeten Kindern: Ausflug in das Steuerrecht

Ein Elternteil kann den Kindesunterhalt für sein minderjähriges Kind von der Steuer abziehen. Die Abzugsfähigkeit der Unterhaltsbeiträge setzt gemäss den Bestimmungen des DBG bzw. des StHG voraus, dass die Beiträge an den anderen Elternteil geleistet werden müssen (vgl. hierfür Art. 289 Abs. 1 ZGB) und dieser über die elterliche Sorge verfügt (vgl. Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG; Art. 7 Abs. 4 lit. g, Art. 9 Abs. 2 lit. c und Abs. 4 StHG). In einem neueren Entscheid musste das Bundesgericht die Frage beantworten, was gilt, wenn das Kind unter Vormundschaft steht (und der unterhaltspflichtige Elternteil die Beiträge deshalb nicht an den anderen Elternteil leisten muss bzw. dieser jedenfalls nicht Inhaber der elterlichen Sorge ist; im vorliegenden Fall war die alleine sorgeberechtigte Mutter verstorben, worauf die KESB eine Vormundschaft errichtet hat). Das Gericht ist zum Schluss gekommen, das Rechtsgleichheitsgebot verlange eine Auslegung der einschlägigen Bestimmungen gegen deren Wortlaut. Demnach können unterhaltspflichtige Eltern Unterhaltsbeiträge auch von der Steuer abziehen, wenn der Unterhalt nicht an den anderen Elternteil zu leisten ist bzw. dieser nicht über die elterliche Sorge verfügt. Diese Grundsätze gelten sowohl für die direkte Bundessteuer als auch für die Staatssteuer.

Diese Rechtsprechung hat Auswirkungen auf die Berechnung des Kindesunterhaltes bei bevormundeten Kindern. Diese sind selbständig zu veranlagen, und die Kindesunterhaltsbeiträge sind dabei als Einkommen zu erfassen (das Bundesgericht lässt im vorliegenden Fall allerdings offen, ob die daraus resultierende Steuerlast im Einzelfall im Sinne des Postulats der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu reduzieren ist). Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, die sich ggf. daraus ergebende (mutmassliche) Steuerlast beim Bedarf des Kindes zu berücksichtigen.

WeiterlesenBerechnung des Kindesunterhaltes bei bevormundeten Kindern: Ausflug in das Steuerrecht

Covid-19 IV: Besuchsrecht und Corona

Im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchskontaktes während der Corona-Krise stellen sich verschiedene Fragen. Die KOKES hat hierzu Empfehlungen erlassen. Die Stossrichtung, wonach die Pandemie in der Regel bestehende Besuchsrechts-Arrangements nicht ausser Kraft setzt, die Eltern bei Bedarf aber in der Pflicht stehen, diese unter Einbezuges des Kindes abzuändern, ist unbedingt zuzustimmen.

Einigen sich die Eltern nicht, kann m.E. nur die KESB bestehende Besuchrechtsregelungen abändern. Eine Absage einzelner, weniger Besuchskontakte darf demgegenüber durch die Beistandsperson vorgenommen werden (weil die Pandemie teilweise umgehendes Handeln verlangt, die KESB aber derzeit auch mit geringeren Kapazitäten arbeiten, sind die Kompetenzen der Beistandspersonen zur Absage von Besuchskontakten m.E. weitreichender ausgestaltet als dies üblich der Fall ist).

Die KESB bzw. die Beistandspersonen haben bei ihrem Entscheid diverse Aspekte zu berücksichtigen, so z.B. gemäss Affolter/Maranta/Mösch

a) welche zusätzlichen Gefahren die Transportmöglichkeiten zur Ausübung des Besuchsrechts für alle Beteiligten mit sich bringen

b) ob die reduzierten Angebote des öV überhaupt noch eine Besuchsrechtsausübung erlauben,

c) welche Betreuungsmöglichkeiten der besuchsberechtigte Elternteil angesichts eingeschränkter Angebote (z.B. geschlossene öffentliche Parkanlagen und Spielplätze) hat beziehungsweise welche institutionellen Angebote seitens des Kantons und der Gemeinde noch oder neu erbracht werden,

d) ob der besuchsbelastete Elternteil auf die Besuche des Kindes beim andern Elternteil organisatorisch überhaupt verzichten kann,

e) ob das Kind oder eine andere Person im Haushalt einer Risikogruppe angehört,

f) in welchem konkreten gesundheitlichen Zustand sich die Betroffenen befinden und welche Übertragungsgefahren aufgrund deren Aussenkontakte bestehen. Wenn ein gesunder Elternteil die Abstandsvorschriften von 2m zum Kind nicht einhält, dürfte dies für sich allein kein Grund sein, den persönlichen Kontakt zu verweigern, weil die Abstandsvorschriften innerfamiliär (d.h. gegenüber dem überwiegend Betreuenden und den Geschwistern) unter «normalen» Bedingungen auch nicht Gültigkeit haben können und ein diesbezügliches Übertragungsrisiko in Kauf genommen wird,

g) in welcher Belastungssituation sich die Betroffenen befinden (z.B. Überstunden als Pflegepersonal),

h) wie alt das Kind ist und wie einschneidend demgemäss eine längere Kontaktpause wäre,

i) ob es altersgerechte technische Alternativen (z.B. Videochat) zur Kontaktpflege gibt.

Ist der Besuchskontakt noch nicht geregelt, kann der persönliche Verkehr nicht gegen den Willen des alleine sorgeberechtigten Elternteils ausgeübt werden (Art. 275 Abs. 3 ZGB). Bei gemeinsamer elterlicher Sorge m.E. muss die KESB den Besuchskontakt regeln (diese Auffassung ist allerdings strittig: Gemäss einem Teil der Lehre gilt hier Art. 275 Abs. 3 ZGB analog).

WeiterlesenCovid-19 IV: Besuchsrecht und Corona

Covid 19-III

Langsam wird auch der Öffentlichkeit bewusst, dass die Corona-Krise sowie die Massnahmen des Bundesrates zur Bekämpfung der Pandemie unter anderem erhebliche Auswirkungen auf die Tätigkeit der KESB haben: Heute ist im „Tages-Anzeiger“ ein entsprechender Artikel erschienen.

WeiterlesenCovid 19-III

Covid-19 II

Auf lto.de ist ein lesenswerter Beitrag zur Thematik „Corona und Umgangsrecht“ erschienen. Obwohl der Text teilweise auf das deutsche Recht Bezug nimmt, ist er auch aus schweizerischer Optik lesenswert. Insbesondere die folgenden hoffnungsvollen Ausführungen der Verfasserin: „In vielen Fällen ist der andere Elternteil übrigens jemand, den man sich ganz bewusst zum Kinderzeugen ausgesucht hatte … Ursprünglich hatte man dieser Person also mal zugetraut, vernünftige Entscheidungen für Kinder treffen zu können. Vielleicht ist die Coronakrise, in der es für jeden schwierig ist, den richtigen Platz auf der Skala zwischen Hysterie und Bagatellisierung zu finden, ein Anlass, Verhaltensmuster auf den Prüfstand zu stellen. Man könnte für möglich halten, dass der getrenntlebende Elternteil mit seinem Augenmaß handelt – und dass das objektiv zwar anders, aber nicht zwingend schlechter als das eigene Augenmaß ist.“

WeiterlesenCovid-19 II

Rückforderung bevorschusster Kindesschutzkosten

Oft bevorschusst das Gemeinwesen Kindesschutzkosten. Dann stellt sich die Frage, wie das Gemeinwesen die bevorschussten Kindesschutzkosten von den Eltern geltend macht. In vielen Kantonen geschieht dies, indem die Behörden eine Verfügung erlassen (z.B. Elternbeiträge verfügen). Solche Verfügungen sind indes nichtig (vgl. BGer 5D_118/2018). D.h. selbst dann unbeachtlich, wenn die Eltern die Verfügung nicht angefochten haben sollten. Dies weil Kindesschutzkosten Bestandteil des Kindesunterhaltes sind. Einigen sich die Eltern also nicht mit dem bevorschussenden Staat über ihren Anteil an den Kindesschutzkosten, muss das Gemeinwesen diese mittels Unterhaltsklage vor Gericht geltend machen (das Gemeinwesen tritt dabei gestützt auf Art. 289 Abs. 2 ZGB in die Rolle des Kindes). Dies gilt auch, wenn das kantonale Recht dem Gemeinwesen eine Verfügungskompetenz einräumt: Entsprechende Bestimmungen sind bundesrechtswidrig.

WeiterlesenRückforderung bevorschusster Kindesschutzkosten

Covid-19

Der Corona-Virus hat auch Auswirkungen auf die Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz. Unter anderem bin ich – direkt oder über anderer Rechtsberater – mit folgenden Fragen konfrontiert worden:

  • Inwieweit können qualitativ gute Abklärungen durchgeführt werden, wenn kein direkter Klientenkontakt mehr stattfinden darf?
  • Inwieweit erscheint es sinnvoll – analog zum Vorgehen der Gerichte – Anhörungen zu verschieben?  
  • Dürfen derzeit Entscheidungen ohne Anhörungen ergehen?
  • Was ist, wenn der besuchsberechtigte Elternteil das Kind nicht mehr zurückbringt, weil es am Wochenende krank geworden ist?
  • Was, wenn der obhutsberechtigte Elternteil das Kind aufgrund der geltend gemachten Ansteckungsgefahr nicht «herausgeben» möchte?
  • Was ist mit den Elternteilen, die ihre Kinder nur begleitet sehen dürfen, zum Beispiel in einem begleiteten Besuchstreff, der nun geschlossen ist?
  • Was ist, wenn die Schulheime entschieden haben, die Kinder nach Hause zu schicken?

Auf die meisten Fragen gibt es keine einfache Antworten. Ich werde im Verlauf der nächsten Zeit versuchen, Inputs zu geben, wie die Fragen beantwortet werden könnten.

WeiterlesenCovid-19

Fremdplatzierungen während einer Beschwerde

Einer Beschwerde gegen die Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kommt bekanntlich aufschiebende Wirkung zu. Die Platzierung kann also bei einer Beschwerde nicht umgehend umgesetzt werden. Es sei denn, die KESB entzieht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. In der Praxis ist ein solcher Entzug – und damit die umgehende Fremdplatzierung – der Regelfall. Das Obergericht des Kantons Zürich musste sich in einem neueren Fall mit den Grenzen des Entzugs der aufschiebenden Wirkung befassen. Dabei wies das Gericht darauf hin, der Entzug der aufschiebenden Wirkung sei nicht zulässig, wenn die Gefährdungssituation schon länger andauere und sich vor dem Entscheid nicht akzentuiert habe. Als «…geradezu unhaltbar…» bezeichnete das Gericht zudem (völlig zu Recht!) die Begründung der KESB, die aufschiebende Wirkung sei zu entziehen, „…damit die Platzierung wie vorgesehen am 3.12.2019 umgesetzt werden kann…“. Obwohl damit gemäss dem Obergericht kein Grund für den Entzug der aufschiebenden Wirkung mehr bestand, sah das Obergericht von einer Rückplatzierung „…ausnahmsweise…“ ab, da die Platzierung schon seit mehreren Monaten andauere. Die gesetzliche Grundlage bleibt dabei unklar.

WeiterlesenFremdplatzierungen während einer Beschwerde

UN-Behindertenrechtskonvention

Die UN-Behindertenrechtskonvention findet in der Schweiz eine immer wie grösserere Rezeption. Die Konvention hat zum Ziel, «den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art. 1 BRK)“. Gemäss Art. 19 BRK anerkennen die Vertragsstaaten das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Der Aufsatz von Bannister/Venkatapuram gibt Gelegenheit, näher über die Deinstitutionalisierung der Wohnformen von behinderten Personen nachzudenken.

WeiterlesenUN-Behindertenrechtskonvention

FU vs. Unterbringung zur Begutachtung

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist es zulässig, neben einer fürsorgerischen Unterbringung eine Unterbringung zur Begutachtung anzuordnen. Daraus können sich verfahrensrechtliche Komplikationen ergeben, wie ein neuerer Entscheid des Bundesgerichts aufzeigt. Im vorliegenden Entscheid wurde A durch eine Arztperson fürsorgerisch untergebracht. Rund zwei Wochen später ordnete die KESB seine stationäre Begutachtung an. Gegen diesen Entscheid erhob A die Beschwerde. Zum Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides betreffend die Begutachtung war die ärztliche FU zwar angefochten. Sie bestand aber immer noch Die Beschwerde gegen die Einweisung zur Begutachtung konnte damit nicht zur Entlassung von A aus der Einrichtung führen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ergibt sich daraus, dass auf die Beschwerde von A gegen die Begutachtung nicht einzutreten ist, da A kein tatsächliches und aktuelles Interesse an deren Behandlung hat.

WeiterlesenFU vs. Unterbringung zur Begutachtung

Anwaltschaftliche Fallen

Bekanntlich müssen die betroffenen Personen gemäss bundesgerichtlicher Praxis umgehend den Ausstand einer Gutachterin beantragen. An diese Praxis knüpfen diverse anwaltschaftliche Fallen, wie ein neuerer Entscheid des Bundesgerichts aufzeigt: Dem Anwalt der betroffenen Person war der Name der Gutachterin seit dem 22. November 2019 bekannt. Er hat allerdings das Gutachten „erst“ am Vorabend der Verhandlung, d.h. am 27. November 2019, durchgelesen und entsprechend sind ihm erst dann Zweifel gekommen, ob die Gutachterin tatsächlich unabhängig ist. Diese Zweifel hat er anlässlich der Verhandlung vom 28. November 2019 prüfen können und sodann umgehend vorgetragen. Das Bundesgericht erachtet das Handeln des Anwaltes als verspätet: Es hält ihm vor, er hätte sich mit der betroffenen Person bereits nach dem 22. November 2019 (also vor dem 27./28. November 2019) besprechen können, ob allfällige Ablehnungsgründe bestehen. Anwaltspersonen müssen also umgehend nach Bekanntgabe der Gutachterin mit der Klientschaft prüfen, ob Ausstandsgründe vorliegen könnten.

WeiterlesenAnwaltschaftliche Fallen