Behindertenrechtskonvention und Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts

In einem neueren Urteil hat sich das Bundesgericht (soweit ersichtlich zum ersten Mal) mit der Auswirkung der UN-Behindertenrechtskonvention auf die Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts beschäftigt. Streitpunkt war die vorinstanzliche Feststellung, wonach der psychische Zustand der Mutter eine langfristige Betreuung und eine Stabilisierung ihres Zustands über einen längeren Zeitraum hinweg erfordere, bevor die Mutter wieder in der Lage sei, ihrer Tochter einen stabilen und beruhigenden Lebensort zu bieten und angemessen auf ihre Bedürfnisse zu reagieren.

Die Mutter hat geltend gemacht, darin liege eine gemäss Art. 5 Abs. 1 BRK verbotene Diskriminierung behinderter Personen. Dazu hat das Bundesgericht zunächst allgemein festgehalten, Art. 5 Abs. 1 BRK sei unmittelbar anwendbar. Die Bestimmung habe aber keinen weiteren Anwendungsbereich als Art. 8 Abs. 2 BV.

Bezogen auf den konkreten Fall hat das Bundesgericht zunächst offengelassen, ob die Mutter als behinderte Person im Sinne der BRK zu qualifizieren sei. Jedenfalls liege eine Diskriminierung behinderter Personen nicht vor: Ein Elternteil ohne Behinderung, welcher aus einem anderen Grund (als den Auswirkungen einer Behinderung) eine gleichwertige Gefährdung für sein Kind darstellt, wäre das Aufenthaltsbestimmungsrecht ebenfalls aufgehoben worden.

Meines Erachtens überzeugen diese Ausführungen nur bedingt: Die BRK schützt auch vor mittelbarer Diskriminierung (rechtlich neutrale Regelungen, welche sich aber faktisch überproportional Auswirkungen auf behinderte Personen haben). Demnach wäre zu klären, ob eine Kindeswohlgefährdung, welche die Fremdplatzierung erforderlich macht, bei behinderten Eltern faktisch nicht überproportional vorliegt als bei nicht behinderten Personen. Dazu hat sich das Bundesgericht nicht explizit geäussert. Im Rahmen dieses Blogs kann ich auf diese Frage nicht näher eingehe. Es sei jedenfalls darauf hingewiesen, dass eine mittelbare Ungleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Eltern m.E. (entgegen der Haltung des Ausschusses zur BRK) unter Umständen zulässig ist.