Das Bundesgesetz vom 30. September 2016 über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG) sieht für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen in der Schweiz vor 1981 einen Solidaritätsbeitrag vor. In einem neueren Urteil musste sich das Bundesgericht mit der Frage auseinandersetzen, wer Opfer im Sinne des Gesetzes ist. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Knabe wurde nach der Geburt im Februar 1967 seiner Mutter weggenommen und zunächst in einem Diakoniewerk sowie alsdann im Dezember 1967 bei einer Pflegefamilie behördlich fremdplatziert. Die Pflegeeltern dieser Familie adoptierten den Knaben am 19. Juli 1969 im Alter von knapp zweieinhalb Jahren. In der Folge musste er im Vorschulalter und im schulpflichtigen Alter bei seinen Adoptiveltern körperliche Gewalt durch schwere Schläge sowie wirtschaftliche Ausbeutung durch übermässige Beanspruchung seiner Arbeitskraft in der schulfreien Zeit erleiden.
Die Behörden machten geltend, ab dem Zeitpunkt der Adoption habe keine Fremdplatzierung im Sinne von Art. 2 lit. b AFZFG vorgelegen, weshalb die betroffene Person nicht Opfer i.S. des OHG ist. Dies, weil aus familienrechtlicher Optik ein Kind mit der Adoption ein „eigenes“ Kind wird und damit keine „Fremd“platzierung mehr vorliegt. Das Bundesgericht kommt im Urteil zum Schluss, die massgebende Begriffsdefinition spreche bei Kindern, die zuerst bei einer Familie behördlich fremdplatziert und später durch die Eltern derselben Familie adoptiert worden sind, dafür, die Adoptivfamilie aus Sicht des Kindes auch nach der Adoption weiterhin als fremd zu betrachten. Deshalb habe der Beschwerdegegner vorliegend auch nach seiner Adoption weiterhin als fremdplatziert im Sinne von Art. 2 lit. b AFZFG zu gelten, womit er auch nach der Adoption von einer Fremdplatzierung betroffen sei und die Opfereigenschaft nach Art. 2 lit. d AFZFG nach wie vor erfüllen könne.